© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/13 / 21. Juni 2013

Die Spitze eines Eisberges
Vatikan: Die Homo-Lobby-Vorwürfe erhalten durch einen Bericht der konservativen spanischen Zeitung El Mundo neue Nahrung
Michael Ludwig

Die Nachricht, daß Papst Franziskus zum erstenmal die Existenz einer Homosexuellen-Lobby im Vatikan bestätigt hat, diese zudem in Korruptionsaffären verstrickt sei, hat in der katholischen Welt wie eine Bombe eingeschlagen. Die angesehene konservative spanische Zeitung El Mundo veröffentlichte nun weitere Einzelheiten zu dieser brisanten Auskunft, die der Papst während eines Gesprächs mit Mitgliedern der Konföderation lateinamerikanischer und karibischer Mönche (CLAR) darlegte und das dann von der chilenischen Zeitschrift Reflexión y Liberación veröffentlicht wurde.

El Mundo zufolge gründet sich die Aussage des katholischen Kirchen-oberhauptes auf Nachforschungen der italienischen Justiz. Das Blatt schreibt, daß die Staatsanwaltschaft Savona seit einigen Jahren untersucht, ob es zutrifft, daß „hinter den Mauern des Vatikans sexuelle Feste mit Minderjährigen gefeiert wurden, die für diese Orgien bezahlt wurden“.

„Offensichtlich“, so El Mundo weiter, stehe die Staatsanwaltschaft „kurz davor, ihre Ermittlungen abzuschließen, und nach Informationen aus gutunterrichteten Kreisen könnten die Schlußfolgerungen ausgesprochen explosiv ausfallen.“

Den Stein ins Rollen brachte der Sprecher der italienischen Vereinigung gegen den sexuellen Mißbrauch Jugendlicher, Francesco Zanardi. 2011 beschwerte er sich bei Kardinal Angelo Bagnasco über pädophile Übergriffe eines Priesters in Savona. „Wenige Tage nach dem Treffen mit dem Kardinal erhielt ich eine Nachricht. Der Mann, der sie schrieb, arbeitete bei einer einflußreichen englischen Firma, die dem Heiligen Stuhl Dienstleistungen anbietet und freien Zugang zum Vatikan hat. Er sagte, er sei Familienvater, und es sei ein Skandal, was er dort erlebt habe.“

Zanardi erklärte weiter, daß ihn auch zahlreiche Telefonanrufe mit ähnlichem Inhalt erreicht hätten. Alle wiesen darauf hin, daß es im Vatikan ausgesprochen weltlich zugehe, vor allem was die Sexualität, insbesondere die gleichgeschlechtliche betreffe. Daraufhin erstattete er in Savona Anzeige.

„Der Junge, mit dem ich gesprochen habe, sagte mir, daß sie nach den Orgien zum Kassenautomaten gegangen seien – so nannten sie das Sekretariat eines Kardinals, der in die Affäre verwickelt ist –, wo sie Geld oder Geschenke erhielten“, gab Zanardi zu Protokoll. Er habe die Informationen nachgeprüft und nicht den geringsten Zweifel daran, daß man ihm die Wahrheit gesagt habe.

Neben dem Kardinal geriet auch ein hoher Funktionär des staatlichen Fernsehsenders RAI ins Visier der Fahnder. Er soll dafür verantwortlich gewesen sein, die jungen Männer für die Sex-Partys zu rekrutieren.

Wie die Korrespondentin der spanischen Tageszeitung schreibt, verfolge die Polizei noch eine andere heiße Spur. Im Rahmen der Ermittlungen gegen den 64 Jahre alten Ex-Präsidenten der italienischen Kommission für öffentliche Arbeiten, Angelo Balducci, wegen illegaler Provisionen hörte sie zahlreiche Telefongespräche ab. Balducci, der offensichtlich längere Zeit eine innige Nähe zum Heiligen Stuhl gepflegt hat, soll junge Seminaristen dafür bezahlt haben, daß sie im Vatikan sexuell aktiv wurden.

Nach Angaben von El Mundo sind die jetzt erhobenen Vorwürfe nur die Spitze eines höchst unmoralischen Eisberges. Eine Fortsetzung soll folgen.

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