© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/13 / 14. Juni 2013

Frisch gepresst

Storms Welt. Zum anstehenden 125. Todestag Theodor Storms am 4. Juli haben sich Husumer Lokalhistoriker zusammengetan, um die nordfriesische Hafenstadt als „Literaturort“ in Erinnerung zu rufen. In einer Reihe vorzüglicher, knapper Essays präsentieren sie die „graue Stadt am Meer“, das Zentrum der durch Storms Novellen evozierten Raumphantasien, im Übergang vom dänischen Gesamtstaat zum wilhelminischen Kaiserreich und bis zu dessen Ende. Die begleitende Bildchronik wartet auch mit Daguerreotypien aus den 1840er Jahren auf, darunter eine Aufnahme von Magdalena Woldsen, Storms Großmutter, geboren 1766, ein Jahr nachdem der 16jährige Goethe sein Studium in Leipzig begonnen hatte. Solche Gesichter aus dem 18. Jahrhundert, die Segelschiffe im trockengefallenen Hafen, eine kuriose Hutfabrik, deren Inhaber in die Feierabendsonne blinzelt oder die zylinderbewehrten Honoratioren, die sich 1898 bei der Einweihung des Storm-Denkmals ablichten ließen – das sind durchweg Momentaufnahmen einer Zeitreise in die so wohltuend übersichtlich anmutende, mit Storm zu sprechen: „behagliche“ Vormoderne. (wm)

Uwe Haupenthal (Hrsg.): Von Storm zur Republik. Husum in der Fotografie zwischen 1850 und 1920. Husum Verlag, Husum 2013, gebunden, 132 Seiten, Abbildungen, 14,95 Euro

 

Kempowski theologisch. Fast gleichzeitig mit dem Germanisten Kai Sina, der 2010 in Göttingen seine Dissertation über „Walter Kempowskis Kunstreligion“ (JF 49/12) einreichte, lag in Marburg die Doktorarbeit der Frankfurter Pfarrerin Gita Leber vor, die den „deutschen Chronisten“ theologisch zu deuten versprach. Tatsächlich ist die biblisch-christliche Leitmotivik im Werk Kempowskis mit Händen zu greifen. Das von Schuld, Vergebung und Gnade bestimmte Christentum habe ihn besonders als Sänger und Kantor des Bautzener Knastchors geprägt, als in der zur DDR mutierenden „Ostzone“ der Atheismus Urständ feierte. Lebers anregende Interpretationen machen jedoch halt vor dem „Echolot“. Trotz ihres fruchtbaren Ansatzes sollte allerdings Lebers Ratschlag, Alexander Mitscherlichs „Unfähigkeit zu trauern“ heranzuziehen, um Kempowskis kollektives Tagebuch als „Trauerarbeit“ eines „ganzen Volkes“ zu verstehen, für eine weitere Kempowski-Exegese besser in den Wind geschlagen werden. (rp)

Gita Leber: Die Spiegelung Gottes. Walter Kempowski theologisch gelesen. EB-Verlag Dr. Brandt, Berlin 2012, broschiert, 406 Seiten, 22,80 Euro

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