© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/13 / 14. Juni 2013

Die letzten freien Menschen
Kino: Andrew Niccols Science-fiction-Film „Seelen“ basiert auf dem gleichnamigen Roman der amerikanischen Jugendbuchautorin Stephenie Meyer
Claus-M. Wolfschlag

Wenn hinter den Machern eines Films bekannte Namen stehen, dann lohnt der Blick auf die spezifische Handschrift. „Seelen“ ist zwar ein Film, dessen Geschichte primär junge Mädchen ansprechen dürfte. Allerdings überrascht sofort, daß dies im Gewand eines durchaus ansprechenden Science-fiction-Szenarios geschieht. Diese ungewöhnliche Kombination kommt daher, daß zwei sehr unterschiedliche Persönlichkeiten hinter dem Werk stehen. Es ist vielleicht mit der Vorstellung vergleichbar, „Alien“-Regisseur Ridley Scott hätte einen Otfried Preußler-Roman verfilmt.

Ausgedacht hat sich die Geschichte von „Seelen“ (Originaltitel: The Host) die US-amerikanische Kultautorin Stephenie Meyer. Die heute 39jährige ist durch ihre romantisch-phantastischen „Twilight“-Romane bekannt geworden. Die darin geschilderte Liebe zwischen einem jungen Mädchen und einem Vampir verzückte weltweit Teenyherzen und wurde auch dank ausgeklügelten Marketings ein Riesenerfolg. Drehbuchautor und Regisseur des Films ist hingegen Andrew Niccol, bekannt durch seine sozialkritischen Science-fiction-Arbeiten, beispielsweise „Gattaca“ (1997), „Die Truman Show“ (1998) oder „In Time – Deine Zeit läuft ab“ (2011).

Während also Meyer die Klaviatur der Mädchenträume bestens zu spielen versteht, darf Niccol als ein technischer Meister seines Fachs gelten. Schon aus diesem Grund ist es interessant, den Blickwinkel darauf zu richten, welche Elemente dieses Films von welchem Teil dieses ungleichen Paares stammen. Es ist wie die Betrachtung eines Kindes, bei dem man mit Faszination entdeckt, daß die Nase vom Vater, die Augen aber von der Mutter stammen.

Die Geschichte basiert auf einem „Body Snatchers“-Szenario. In naher Zukunft hat die Erde die Invasion einer außerirdischen Lebensform erlebt. Wie es dieser überhaupt gelingen konnte, auf dem Planeten Fuß zu fassen und die zu seiner Ausbreitung nötige Logistik aufzubauen, wird nicht geschildert. Die Außerirdischen existieren in Form von materialisierten Seelen. Ihre eigentlich schöne Gestalt ähnelt kleinen Tiefsee-Lebewesen – leuchtend und mit zahlreichen Fühlern. Die Seelen wandern über kleine Wunden in die Köpfe der Menschen und übernehmen deren Körper.

Nur wenige authentische Menschen haben sich dieser friedlichen Übernahme der Erde entziehen können. Sie leben vagabundierend und sich in zivilisatorischen Randgebieten versteckend. Melanie Stryder (Saoirse Ronan) ist eine von ihnen. Doch bei einem nächtlichen Plünderungszug werden sie und ihr kleiner Bruder von sogenannten „Suchern“ überrascht, außerirdischen Polizisten.

Das hier geschilderte Gesellschaftsszenario zeigt die stilistische Handschrift Andrew Niccols. Ein faktisch totalitäres Überwachungssystem, das einen klinisch reinen Staat schützt, wendet sich gegen wenige Abweichler und Widerständler. Filmheldin Melanie gerät in die Hände der „Sucher“ und wird mit einer außerirdischen Seele „infiziert“. Doch Melanies eigene Seele erweist sich als sehr stark, sie stirbt nicht.

Fortan leben zwei Seelen in einem Körper, was zu divergierenden Entscheidungen führt, erst recht als sie sich in zwei verschiedene Männer verlieben. Melanie und Wanda müssen einander akzeptieren lernen. Zudem wird Melanie nicht mehr von ihrer alten menschlichen Gemeinschaft akzeptiert, da diese nur die fremde Seele hinter dem bekannten Körper sieht.

So verbindet „Seelen“ mehrere Themen: die eigene seelische Zerrissenheit, die zwei Seelen in einer Brust. Dann die Frage der Annahme durch eine Gemeinschaft, und zwar gerade in Konfliktzeiten mit ihrem starken Freund-Feind-Denken. Schließlich das Leben in einem Überwachungsstaat, der natürlich nur das Beste für seine Bewohner möchte.

Sicherlich dürften erwachsene Kinogänger von der einen oder anderen Sentimentalität genervt oder belustigt sein, dennoch ist „Seelen“ ein durch Niccols Regie-Erfahrung recht solide inszenierter Science-fiction-Film geworden, mit vielen Spannungsmomenten, einer durchweg stimmigen Atmosphäre und einigen Denkanstößen.

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