© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/13 / 14. Juni 2013

Der beste Freund des Menschen
Flutkatastrophe: Gegen den Ansturm des Hochwassers schichten Anwohner und Helfer Sandsack um Sandsack auf
Richard Stoltz

Ab sofort nichts mehr gegen Säcke, speziell gegen Sandsäcke! Seit Wochen sind die Nachrichten voll mit gefüllten Sandsäcken, und es sind durch die Bank allerbeste Freunde des Menschen, die ihn und seine Städte gegen den Ansturm unheilvoller Hochwassermassen schützen. Sprecht künftig respektvoller über Sand und Säcke!

Bisher waren beide ja gänzlich dem Spott der Sprechenden ausgeliefert. „Du alter Sack!“ – wer so tituliert wurde, der hatte nicht die kleinste gute Karte mehr, verdiente nicht einmal, daß man ihn mit Schlägen in die richtige Richtung wies. „Man schlägt den Sack und meint den Esel.“ Verächtlicher geht’s nicht.

Der Sand war das, auf dem man herumtrampelte, ohne sich was dabei zu denken. Zum Baumaterial taugte er allenfalls als Beimischumg. „Auf Sand bauen“ hieß, sich dem Nichts preisgeben. Schon die Bibel hat vor ihm gewarnt, ansonsten kommt er in der Literatur kaum vor.

Über den Sack gibt es immerhin ein Gedicht von Wilhelm Busch, „Der Sack und die Mäuse“, in dem diese einem prall gefüllten Getreidesack zunächst Komplimente machen. „Oh, du da in der Ecke, / Großmächtigster der Säcke! / Du bist ja der Gescheitste, / Der dickste und der Breitste! (…) Mit innigem Behagen hört / Der Sack, daß man ihn so verehrt.“ Doch dann beginnen die Mäuse, unten ein Loch in ihn hineinzubeißen, und das Getreide rinnt und rinnt, „der Sack wird faltig, krumm und matt. / Die Mäuse werden fett und glatt. / Zuletzt, man kennt ihn kaum noch mehr, / Ist er kaputt und hohl und leer.“

Hoffentlich hören die Wassermassen bald auf, Maus zu spielen und den Inhalt der Sandsäcke feucht und durchlässig zu machen. Sonst wird es wohl nichts mit der sprachlichen Aufwertung von Sack und Sand. Gutgeplante Wasserwehre könnnen sie ohnehin nicht ersetzen.

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