© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/13 / 07. Juni 2013

Politik und Religion des „Meisters“: Stefan George im Gefängnis des Subjektivismus
Der Geist der Demokratie
(wm)

Das Frühjahrsheft der Kulturzeitschrift Sinn und Form (2/2013) widmet ganz außerhalb des Jubiläumsreigens dem Lyriker Stefan George (1868–1933) zwei Essays. Martin Mosebach zeigt sich ganz perplex, warum „der Meister“, von „lupenreiner katholischer Abstammung“, der in seiner Geburtsstadt Bingen die vom Kirchenjahr geprägte katholische Alltagskultur in sich „eingesogen“ habe, letztlich doch den Weg in die „Privatreligion“ einschlug, die ihn ins Gefängnis des modernen Subjektivismus bannte. Der Staatsrechtler Wolfgang Graf Vitzthum will hingegen ausgerechnet im Gedicht auf Papst Leo XIII., als „Vorschein des Politischen“ eine katholisch konditionierte Annäherung Georges an den Geist der Demokratie, an „Gleichheit und Gemeinsamkeit“ erkennen. Was nicht bedeute, den Prediger des „vormodernen Personalismus“ nachträglich in einen Patent-Demokraten verwandeln zu können. Ebensowenig wie seine Abstand zwischen „Lyriker und Leviathan“ wahrende Absage an den NS-Staat. Denn George habe nicht verstanden, daß der „Gleichheitskern“ des demokratischen Rechtsstaates keineswegs „kollektivistische, geistfeindliche Gleichmacherei“ impliziere. Dies hätten selbst die „klugen Juristen“ im George-Kreis nicht begriffen, die mit ihrem „Meister“ Front gegen die Weimarer Republik machten.

www.sinn-und-form.de

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