© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/13 / 07. Juni 2013

Der Suhrkamp-Verlag stellt Antrag auf Gläubigerschutz
Der Anfang vom Ende
Markus Brandstetter

Wer zwischen 1950 und 2000 gute Bücher schrieb, für den gab es meist nur einen Verlag: Suhrkamp. Die Liste der Hausautoren war lang und legendär. Hermann Hesse, Max Frisch, Uwe Johnson, Martin Walser – das war die erste Generation. Später kamen Peter Handke, Thomas Bernhard und Uwe Tellkamp hinzu. Mit Starautoren wie dem peruanischen Nobelpreisträger Mario Vargas Llosa oder der Chilenin Isabel Allende bewies man ein glückliches Händchen. Die Reihe Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft versammelte alles, was in der Wissenschaft weltweit Rang und Namen hatte.

Aber seit dem Tod Siegfried Unselds, der die Geschicke des Verlages bis 2002 wesentlich bestimmt hatte, befindet sich der Verlag in einer Dauerkrise. Die Bestseller blieben aus, der Trend zu Fantasy, skandinavischen Krimis und historischen Romanen wurde verpaßt.Hesse, Handke und Bernhard bringen nicht mehr die Einnahmen wie früher. Viele glauben, daß die Verlegerwitwe Ulla Berkéwicz-Unseld schuld sei, die Suhrkamp nicht nur einen teuren Umzug von Frankfurt nach Berlin verordnete, sondern erst Unselds Sohn Joachim und später den kaufmännischen Geschäftsführer und die Starlektorin herausdrängte.

Seit der Hamburger Investor Hans Barlach 2007 einen Anteil von 31 Prozent an der den Verlag kontrollierenden Stiftung übernahm, geht es bei Suhrkamp aber erst so richtig rund. Barlach und Berkéwicz-Unseld reden nur noch durch Anwälte miteinander. Barlach interessiert sich durchaus für Literatur, aber er will, daß Suhrkamp Geld verdient und dies dann an die Eigner auch ausschüttet. In einer Folge spektakulärer Prozesse hat Barlach gegen Suhrkamp einen Sieg nach dem anderen erstritten und im März per Gerichtsbeschluß erreicht, daß der Verlag ihm 2,2 Millionen Euro ausschütten muß.

Dieses Geld hat der Verlag offenbar nicht, weshalb die Geschäftsleitung in einem Akt der Verzweiflung das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) nutzt. Dieses neue Schutzschirmverfahren soll eine Insolvenz vermeiden helfen und notleidende Firmen unterstützen. Funktionieren tut das so: Drei Monate lang erhält das Unternehmen Schutz vor Vollstreckung. Dafür muß es in dieser Zeit einen Sanierungsplan vorlegen und sich mit den Gläubigern einigen. Der Charme des Ganzen liegt aus Sicht Suhrkamps darin, daß an Barlach erst einmal nichts zu zahlen ist und die Geschäfte unter der Ägide eines vom Gericht bestellten Sachwalters weitergeführt werden können.

Ob das allerdings den in der Presse allenthalben gefeierten Befreiungsschlag darstellt oder nicht vielmehr einen Pyrrhussieg, ist fraglich. Aus Sicht von Banken und Gläubigern ist der Verlag nunmehr auch offiziell schwer angeschlagen, was in Zukunft die Bonität und Liquidität des Unternehmens schwer beeinträchtigen wird.

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