© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/13 / 31. Mai 2013

Oh, die Welt mag uns!
Laut einer Umfrage der BBC ist Deutschland das beliebteste Land der Welt
Markus Brandstetter

Manchmal passieren Dinge, die eigentlich gar nicht passieren dürften. Nehmen wir die Titanic: Die war bekanntlich unsinkbar und ging trotzdem unter. Oder der Spätkapitalismus: Nach dem kompetenten Urteil marxistischer Soziologen wie Horkheimer, Adorno und Habermas hätte der längst untergehen und dem Sozialismus weichen müssen. Aber was ist geschehen? Gar nichts! Die Marktwirtschaft blüht und gedeiht, während die Planwirtschaft plötzlich und unerwartet verstorben ist.

Und nun fällt es auch noch der ganzen Welt ein, uns Deutsche zu mögen. Das muß man sich mal vorstellen: Die ganze Welt liebt uns, und zwar nicht nur ein bißchen, nein: volle Kanne. Deutschland, sagt eine aktuelle Umfrage der BBC, ist das beliebteste Land der Welt („Germany is the most popular country in the world“).

Was ist denn jetzt los? Sind wir nicht „eine Nation von Spießern, die Wortungetüme und Würste liebt“ (Süddeutsche Zeitung)? Hält die Welt uns nicht für Menschen, die in aufgeräumten Schrebergärten ihre Gartenzwerge zu Blasmusik jährlich frisch lackieren? Hatte nicht Adorno uns immer wieder beschieden, daß es erstens kein wahres Leben im falschen gäbe – wobei mit dem falschen Leben das unsrige gemeint war –, und zweitens nach Auschwitz nicht nur keine Lyrik, sondern auch sonst keine positiven Gefühle mehr möglich seien, am allerwenigsten ein, wenn auch noch so bescheidener, Stolz auf Land, Leute und Leistungen? Und wir, zermürbt durch die Dauerbeschallung von Rundfunk, Fernsehen und Presse, wo man uns mit dem monotonen Rekurs auf den Nationalsozialismus auf ewig Demut und Büßertum abverlangt, haben das irgendwann auch geglaubt, moderne Flagellanten, die wir nun mal sind. Und nun kommt der Rest dieser Welt, der wir doch so viel angetan haben, und sagt uns: Wir mögen, schätzen und bewundern euch. Kann das stimmen?

Schauen wir uns zuerst einmal an, ob die Welt mit dieser unvermuteten Zuneigung überhaupt recht hat. Vielleicht wissen die gar nicht, was sie sagen. Die Quelle für diese Nachricht sieht schon mal ganz gut aus: die BBC, eine der am meisten respektierten Rundfunkanstalten auf der ganzen Welt. Aber vielleicht war ja die Methodik der Befragung falsch oder man hat die Daten verkehrt herum ausgewertet?

Das sieht aber auch alles ganz vernünftig aus: 26.000 Menschen aus 25 Ländern wurden gefragt, wie sie den Einfluß von 16 Ländern und der EU auf den Rest der Welt beurteilten: hauptsächlich positiv oder weitgehend negativ? Zur Auswahl standen diese Länder: Iran, Pakistan, Nordkorea, Israel, Rußland, Indien, Südafrika, Südkorea, China, USA, Brasilien, die EU, Frankreich, Großbritannien, Kanada und Deutschland.

Das Ergebnis ist eindeutig: Die Länder mit dem besten Einfluß sind in dieser Reihenfolge: Deutschland, Kanada, Großbritannien, Japan und Frankreich. Am unbeliebtesten sind: Rußland, Israel, Nordkorea, Pakistan und als Schlußlicht der Iran. Die USA, China und Südkorea liegen ziemlich in der Mitte. Beliebtheits-Weltmeister ist Deutschland. 59 Prozent der Befragten bewerteten den Einfluß Deutschlands „größtenteils positiv“ – der Spitzenwert unter allen Staaten.

Besonders geschätzt wird Deutschland von seinen unmittelbaren Nachbarn, also von Polen, Österreichern, Franzosen, aber auch von Spaniern und Italienern. Einzig die Griechen mögen uns nicht, was aber keinen überrascht.

Das alles sollte uns nun eigentlich freuen. Aber tut es das? Nicht jeden. Einer Autorin der Süddeutschen Zeitung („Liebesgrüße an den Gartenzwerg“) gefällt das gar nicht. Hört die Deutschland, dann fallen ihr nicht Kant, Heine, Einstein und Baselitz ein, sondern Gartenzwerge, Jägerzäune und Kuckucksuhren. Was Positives kommt ihr überhaupt nicht in den Sinn. Die große deutsche Brotauswahl ist blöd, Volksmusik sowieso und ein Italiener im Chianti-Rausch allemal attraktiver als ein Deutscher im Bierdusel.

Auch der Bildredakteur der FAZ sieht beim Thema Deutschland nur Gartenzwerge vor sich. Und den Spiegel hat die BBC-Umfrage gleich dermaßen verstört, daß das Magazin bei EU-Intellektuellen, die keiner kennt, Gegenaussagen anforderte, die aber für den Geschmack der Redaktion immer noch viel zu deutschfreundlich ausfielen. Kostprobe: „Wir Spanier haben weder ein Problem mit Deutschland noch mit den Deutschen. Wir schauen mit Bewunderung auf dieses Land. Das einzige Land, von dem die Spanier eine schlechte Meinung haben, ist ihr eigenes.“

Überhaupt waren die Zeitungen unserer Nachbarn deutlich souveräner als die hiesigen Qualitätsblätter. Weder Le Monde („L’Allemagne est le pays le plus apprécié“) noch El Pais („Alemania es el país mejor visto en el mundo“), noch der britische Guardian hatten mit dem Ergebnis der BBC-Umfrage irgendwelche Probleme, im Gegenteil: die hätten liebend gerne das deutsche Bruttosozialprodukt und den FC Bayern München.

Was fangen wir jetzt mit soviel Lob an? Wir lehnen uns einen Moment lang zurück, atmen tief durch und genießen diese Botschaft. Und dann fragen wir uns, was die Welt eigentlich an uns schätzt, denn irgendwas, das Spiegel, Süddeutsche und FAZ entgangen ist, muß es ja sein. Bei der BBC hat man auch nachgedacht und ist zu diesem Schluß gekommen: Fleißige deutsche Diplomaten, die die Welt in Sachen Deutschland AG bereisen, seien der Grund. Das ist einer von vielen, aber nicht der entscheidende.

Nein, die wahren Gründe sind vielfältig, aber durchaus benennbar: Erstens eine starke Wirtschaft, die vergleichsweise für Vollbeschäftigung, hohe Einkommen und sozialen Frieden sorgt.

Zweitens: große, weltbekannte Unternehmen und Marken, die seit Jahrzehnten durch Qualität überzeugen.

Drittens: mehr als tausend innovative Mittelständler, die sogenannten „Hidden Champions“, die ihre Nischenmärkte weltweit dominieren.

Viertens: eine stabile Demokratie, die – ganz gleich, wer die Hände am Regierungsruder hat – nicht für Aggression steht, sondern für ein konstruktives Miteinander, das, nimmt man die EU, vielleicht manchmal ein bißchen zu konstruktiv ist.

Fünftens: ein Bildungs- und Gesundheitswesen, das im Schnitt mehr oberes Mittelmaß als tatsächliche Exzellenz hervorbringt, das aber, sieht man von einer Handvoll meist kleinerer Länder ab, in Breite und Qualität unübertroffen ist.

Sechstens: ein belastbares Justizsystem, das im Strafrecht das Verstehen der Täter höher wertet als ihre Bestrafung und im Zivilrecht den Habenichts über den stellt, der etwas hat und kann, nichtsdestoweniger aber funktioniert.

In der Summe wird man sagen können, daß es die Verbindung aus Wirtschaftskraft, Stabilität und funktionierender Demokratie ist, die Deutschland aus Sicht der Welt so attraktiv macht. Wer jetzt für Gartenzwerge, Blasmusik und Jägerzäune schwärmt, der möge dies weiter tun; er muß aber wissen, daß er allein deshalb noch nicht geliebt wird.

Die Umfrage der BBC im Internet:  www.bbc.co.uk

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