© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/13 / 31. Mai 2013

„Wir geben nicht auf, niemals“
Frankreich: Friedliche Demonstration gegen das Gesellschaftsmodell der Linken / Leichte Krawalle fernab
Jürgen Liminski

Trotz massiver Warnungen der sozialistischen Regierung versammelten sich am Sonntag Nachmittag mehr als eine Million Menschen in Paris, um gegen das Gesellschaftsmodell der Linksregierung zu protestieren. Das Gleichstellungsgesetz „Ehe für alle“, das wenige Tage vorher in Kraft getreten war, war auch diesmal der konkrete Auslöser des Protestes, wobei die Demonstration in der Hauptsache ein Plädoyer für die normale Ehe und Familie war.

Noch nicht einmal am Rande, sondern nach der Veranstaltung kam es zu Auseinandersetzungen, wobei rund drei Dutzend Personen fest- und bei gut 200 die Personalien aufgenommen wurden. Verletzt wurde niemand.

Weitab von der Demonstration hatte eine Gruppe der Génération Identitaire, die ähnlich wie Greenpeace stets am Rand der Legalität mit Aktionen von sich Reden macht, vom Dach der sozialistischen Parteizentrale ein Banner entrollt mit der Aufschrift: „Hollande Demission“ (Hollande – tritt zurück) – eine Aufforderung, die in der Partei und in vielen Medien wie eine Majestätsbeleidigung behandelt wurde.

Wer vor und hinter dem Invalidendom, in dem Napoleon Bonaparte begraben ist und die jüngere Geschichte Frankreichs detailliert dargestellt wird, durch die Menge streifte oder sich durchquetschte, traf überall auf freundliche Minen, die Gesichter waren heiter und gelassen, das Gesamtbild bestimmt von der bürgerlichen Garderobe der Teilnehmer.

Nicht wenige kamen wie zum Sonntagsspaziergang in Sakko und Krawatte oder im sportlichen Damenkostüm und skandierten einstimmig: „Wir geben nicht auf, niemals!“ oder „Hollande – laß die Finger von der Ehe und kümmere dich um die Arbeitslosigkeit“.

Bedrohlich klang allenfalls der  Spruch: „Hollande, Frankreich wird dein schlimmster Alptraum werden!“ Es war in der Tat das bürgerliche Frankreich, das hier am Invalidendom in drei Zügen sternmarschförmig zusammenströmte, um sein Unbehagen gegen die Regierung, die mit Unterstützung etlicher Medien ihr linkes Prestigeprojekt Homo-Ehe im Eiltempo durch das Gesetzgebungsverfahren gepeitscht hatte, Ausdruck zu verleihen.

Das friedliche und heitere Bild wurde von fantasievollen Einlagen unterstrichen. So erschienen plötzlich zwei Dutzend junger Leute, junge Männer mit freiem Oberkörper und in rosa Latzhosen, begleitet von – auch oben bekleideten – jungen Damen meist in Blau, die als Hommen-Gruppe auf spaßige Art die Protestbewegung Femen imitierte und für Unterhaltung sorgt.

 Und um erneut zu unterstreichen, daß die Bewegung keineswegs homophob ist, trat auch wieder ein Homosexueller auf, der offenbarte, daß er mit seinem Lebensgefährten von Hollande empfangen worden sei, er aber weiter gegen das Gleichstellungsgesetz sei und daß sein Gefährte ihn daraufhin verlassen habe. Dennoch rief er der Menge zu: „Gebt nicht auf! Wegen der Folgen dieses Gesetzes für die Gesellschaft, wegen der Demokratie, die ohne Zivilisation verloren ist, und wegen der Familie, Grundstein jeder freien Gesellschaft. Danke. Ich liebe euch!“

Auch diesmal kamen Hunderttausende Besucher aus der Provinz, was schon an den Flaggen aus der Bretagne erkennbar war. Diese Teilnehmer hatten Züge und Busse gechartert, um noch am Abend die Heimreise anzutreten. Allein die Platzzahl in den gemieteten Zügen und Bussen überstieg schon die von der Präfektur und dem Innenministerium angegebene Teilnehmerzahl der 150.000.

Es handelt sich um eine politische Zahl, so wie schon bei den Großdemonstrationen am 13. Januar und 24. März, als 800.000 beziehungsweise 1,7 Millionen Teilnehmer nach Paris gekommen waren. Die Zahl läßt sich anhand von Luftaufnahmen und Computern ziemlich genau kalkulieren. Bei den Aufnahmen vom 24. März sind nachweisliche Fälschungen in Umlauf gekommen.

Der Krieg der Zahlen hat mit der Angst der Regierung vor der anschwellenden Unpopularität zu tun, man will die Bewegung verharmlosen und diskreditieren, indem man ihr den Stempel des Rechtsextremismus aufdrückt. Aber hier versammelte sich erneut die bürgerliche Mittelklasse, das Bild vor und hinter dem Invalidendom war geprägt von jungen Familien mit drei und mehr Kindern.

Auch Bürgermeister mit ihren Schärpen waren nicht selten zu sehen. Einer von ihnen, Jean Michel Fourgous, aus der Kleinstadt Elancourt, war gekommen, um „gegen die Inkompetenz und die Lügen“ der Regierung zu protestieren, und zwar nicht nur in gesellschaftspolitischen Fragen, sondern auch bei Wirtschaft und Finanzen. „Frankreich macht sich mittlerweile zum Gespött in Europa. Wer nimmt Hollande noch ernst? Seine Kritik am deutschen Modell ist lächerlich. Schon die Fakten sprechen eine andere Sprache.“

Aber „diese Leute“ in der Regierung, so Fourgous, lebten in einer anderen Welt und wollten eine andere Gesellschaft. Der Bürgermeister ist auch Unternehmer und gehört zur bürgerlichen Oppositionspartei UMP.

Von dieser Partei und vom Front National waren mehrere Abgeordnete gekommen, um dem bürgerlichen Protest auch eine politische Note zu geben.

Für Aufmerksamkeit sorgte dagegen ein Gewerkschafter, der zum „friedlichen Widerstand“ gegen die Regierung aufrief, ähnlich wie es die Solidarność in Polen in einer aussichtslosen Position vor dreißig Jahren getan habe. In seiner Begründung wählte er den Dreiklang der Französischen Revolution: Denn Freiheit bedeute auch Gewissensfreiheit und die wollten die Sozialisten, auch mit dem Gleichstellungsgesetz, einschränken. Gleichheit bedeute auch Anerkennung und nicht mediale Unterdrückung anderer Meinungen, Brüderlichkeit sollte vor allem den Schwächsten und Hilflosen, den Kindern, zuteil werden.

Ein Staatsrechtler, hinter ihm auf der Bühne acht Richter in Roben, legte dar, wohin das positivistische Recht führe, wenn man die Natur des Menschen nicht mehr achte und so die Verfassung verfälsche. Auch er rief zum „ruhigen Widerstand“ gegen die „Ideologen des Genderismus“ und eines „perversen Menschenbildes“ auf.

Parallel dazu wurde in Predigten am Sonntag morgen zur friedlichen Zusammenkunft aufgerufen. Ein Dominikaner auf dem Feld vor dem Invalidendom meinte danach auch lapidar auf die Frage, warum er gekommen sei: „Aus Liebe zur Familie.“

 www.lamanifpourtous.fr

Foto: Für die Familie und gegen das Ehe-Gleichstellungsgesetz: Trotz massiver Warnungen der Regierung kamen eine Million Menschen nach Paris

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