© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/13 / 24. Mai 2013

Frisch gepresst

Föhr. Wie Sylt und Amrum spielt auch Föhr, die dritte große nordfriesische Insel eine bedeutende Rolle in der Seefahrtsgeschichte des 19. Jahrhunderts. Denn nicht nur für Hamburger Reeder, sondern in allen Hafenstädten Westeuropas gehörten die als Navigatoren geschätzten Friesen zur ersten Wahl, wenn es galt, die Führungsposten auf Frachtseglern zu besetzen. Zu dieser Elite von „Arbeitsmigranten“, von denen die meisten nach dreißig Jahren in die Heimat zurückkehrten, ist auch der aus Oldsum im Westen Föhrs stammende Lorenz Friedrich Jepsen zu zählen. 1802 geboren, begann er seine Laufbahn auf Walfängern vor Grönland, bevor er 1822 zur Kauffahrtei wechselte. Als Steuermann und, seit 1836, als Kapitän segelte er im Dienst Antwerpener Reeder in die Karibik, nach Nord- und Südamerika, zum Bosporus und ins Schwarze Meer. Festgehalten hat der tief gläubige Christ diese bewegte Zeit in einem Tagebuch, ebenso wie die Jahrzehnte im „Ruhestand“, als Landwirt in Oldsum, wo er 1891 starb. Seinen Nachfahren verdanken wir die mustergültige Edition dieses mit vielen farbigen Lithographien und Porträtfotos prächtig ausgestatteten Dokuments, das tiefe Einblicke in die Mentalität und Vorstellungswelt einer Gesellschaftsschicht gewährt, die uns mit literarischen Denkmalen sonst nicht verwöhnt. (on)

Karin, Kai und Volkert Faltings (Hrsg.): Die vornehmsten Lebens-umstände von Lorenz Fr. Jepsen. Husum Verlag, Husum 2012, gebunden, 351 Seiten, Abbildungen, 24,95 Euro

 

Gottschee. Der 2011 verstorbene Richard Lackner war als Jugendführer von 1939 bis 1942 Angehöriger der letzten Führung der Gottscheer Volksgruppe, die in der Unterkrain im heutigen Slowenien seit dem Mittelalter ansässig war. Nun hat die Witwe Lackners Erinnerungen herausgegeben, die das Ende der 600jährigen Existenz dieser deutschen Sprachinsel beschreiben. Lackner zeichnet nach, wie die Gottscheer nach 1918 in Jugoslawien zunehmend in den Strudel der Nationalitätenkonflikte gerieten. Von Belgrad als „fünfte Kolonne“ des erstarkenden NS-Reiches denunziert, erledigten dann ausgerechnet Hitler und Mussolini die dortigen 177 Ortschaften: Deren wirre Volkstumspläne nötigten die Gottscheer zur Umsiedlung in die nahe Untersteiermark (Ranner Dreieck), wo sie dann 1945 schutzlos Titos Mord- und Vertreibungsgreueln ausgeliefert waren. (bä)

Richard Lackner: „Ich würde Dich schon gern haben, aber ...“ Erinnerungen eines Gottscheers. Eigenverlag Maria Lackner-Kundegraber, Graz 2013, broschiert, 241 Seiten, Abb., 10 Euro+ Versand

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