© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/13 / 24. Mai 2013

Unlautere Methoden
Erst Amazon, nun Daimler: Zum zweiten Mal in kurzer Folge patzt die ARD mit einer fehlerhaften Enthüllungsgeschichte
Christian Schreiber

Seit Günter Wallraff in den siebziger Jahren unter falscher Flagge in der Redaktion der Bild-Zeitung „segelte“ und später eine auflagenstarke Enthüllungsgeschichte daraus strickte, ist Undercover-Journalismus in der Bundesrepublik schwer in Mode.

Zum zweiten Mal binnen kurzer Zeit hat die gebührenfinanzierte ARD nun offenbart, daß die Öffentlich-Rechtlichen es mit den ethischen Grundsätzen eines seriösen Journalismus nicht so genau nehmen. Für die Reportage „Hungerlohn am Fließband“ hatte ein Reporter über zwei Wochen unter falscher Identität am Fließband in einem Stuttgarter Daimler-Werk gearbeitet. So weit, so gut.

Dabei sollen ungelernte Hilfskräfte unzulässig in die Arbeitsabläufe integriert und angeleitet worden sei. Außerdem sei der Stundenlohn in Höhe von 8,19 Euro so niedrig, daß damit eine Hartz-IV-Aufstockung möglich sei und die Produktion von Mercedes-Fahrzeugen so indirekt vom Steuerzahler finanziert werde.

Im Netz löste die Reportage erwartungsgemäß eine Welle der Empörung aus, und auch zahlreiche Medien sprangen auf den fahrenden Zug. „Daimler baut Luxusautos mit Staatsknete“, hieß es beispielsweise. Gegen Konzern-Chef Dieter Zetsche liegt mittlerweile eine Strafanzeige vor.

Das Unternehmen wehrt sich vehement. So habe es Anrufe des Reporters in der Pressestelle des Unternehmens nicht gegeben. „Teile des Beitrags sind fingiert“, teilte Daimler mit. Diese scharfe Formulierung läßt aufhorchen. Deckt sie sich doch mit Vorwürfen, die Amazon vor kurzem an die ARD richtete. Damals hatten „verdeckte Reporter“ dem Unternehmen vorgeworfen, mit Firmen zu kooperieren, die illegale Leiharbeiter beschäftigen. Im nachhinein stellte sich heraus, daß sich der Hessische Rundfunk höchst unlauterer Methoden bedient hatte. Unter anderem wurde eine im Beitrag gezeigte Mail fingiert sowie eine Zeugin erfunden. Die ARD blieb damals eine Aufklärung schuldig und berief sich stattdessen auf den presserechtlichen Informantenschutz.

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