© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/13 / 24. Mai 2013

Sorge ums Geld sorgt für Klicks
Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Der Erfolg der kleinen Netzseite läßt sogar Branchenriesen zittern
Ronald Berthold

Als Euro-kritisches Medium machen die Deutschen Wirtschaftsnachrichten (DWN) neuerdings im Internet auf sich aufmerksam. Hintergründig berichtet die Online-Zeitung über die Konsequenzen aus den Beschlüssen der EU-Finanzminister und der EU-Kommission. Sie kommt dabei zu ganz anderen Schlußfolgerungen als die etablierten Zeitungen und Magazine. Kürzlich prognostizierten die DWN, die „große Enteignung“ der deutschen Sparer. Die Gründung der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) begleiten sie sehr wohlwollend.

Herausgeber der Deutschen Wirtschaftsnachrichten ist Michael Maier. Der gebürtige Kärntner arbeitete als Chefredakteur der österreichischen Tageszeitung Die Presse, später dann in gleicher Funktion bei der Berliner Zeitung und bei der Illustrierten Stern. Seit Sommer 2000 hat der 55jährige seinen Arbeitsschwerpunkt auf das Internet verlegt. Damals wurde er Chefredakteur der ersten reinen Online-Zeitung, der von Dumont Schauberg herausgegebenen Netzeitung. Trotz vieler Klickzahlen und hoher Reputation – das digitale Blatt war das meistzitierte Online-Medium Deutschlands – stellte der Verlag das Projekt 2009 praktisch ein.

Maier hatte die Netzeitung bereits knapp drei Jahre zuvor verlassen und sich selbständig gemacht. Der mit der Zeit-Journalistin Ilka Piepgras verheiratete, promovierte Medienmacher gründete die Blogform Social Media GmbH, die inzwischen zahlreiche Online-Periodika herausgibt. Seit März vergangenen Jahres gehören die DWN dazu.

Die Zeitung ist meinungsstark und positioniert sich EU-skeptisch. Nach eigener Darstellung berichtet sie „journalistisch unabhängig und verständlich über Entwicklungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft“. Man wolle „globale Zusammenhänge, die direkt oder indirekt Auswirkungen auf Deutschland haben“, aufzeigen.

Eine Redaktion von „Top-Wirtschaftsjournalisten, Korrespondenten und Reportern“ recherchiere und analysiere die Ereignisse. Allerdings sind keine Namen in Erfahrung zu bringen. Die Artikel sind in der Regel nicht mit Autorenzeilen versehen.

Dafür haben es die Texte in sich. Die Euro-Krise müsse laut Boston Consulting Group mit „radikaler Enteignung gelöst werden“, titelten die DWN Ende April. Sie bezogen sich dabei auf Aussagen eines Vertreters des Unternehmens, das Regierungen und Banken berät. Dieser hatte „eine Kombination aus Vermögensabgabe, Vermögenssteuer oder erhöhter Erbschaftssteuer“ gefordert, um die Bürger an der Schuldenkrise zu „beteiligen“. Unterfüttert wurde damit ein Bericht, den das Online-Medium kurz zuvor veröffentlicht hatte. Darin stand, daß die EU-Finanzminister beschlossen hätten, Sparer noch vor den nationalen Einlagensicherungsfonds zur Kasse zu bitten, wenn eine Bank pleite gehe.

Die DWN sehen sich dabei in der Rolle des Aufklärers, der das berichtet, was andere Journalisten vertuschen: „Es ist erstaunlich, wie die Medien diesen Kulturschock als Selbstverständlichkeit darstellen.“ Das ZDF beispielsweise habe davon im Heute-Journal lediglich in einem Nebensatz berichtet.

Die Überschriften sind plakativ, die Texte investigativ und interessant. Maiers Medium verfährt dabei auch nach der Masche „Angst verkauft sich“. Denn wer die DWN-Berichte liest und für glaubwürdig hält, muß sich ernsthafte Sorgen um sein Geld machen. Diese Devise hat Erfolg. Die Artikel werden erstaunlich oft von den Usern kommentiert. 300 und mehr Leserbriefe sind keine Seltenheit.

Wie viele Menschen tatsächlich täglich die Deutschen Wirtschaftsnachrichten lesen, bleibt jedoch vorerst unklar. Die Facebook-Seite der Zeitung haben rund 4.200 Menschen „gelikt“. Von der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V. (IVW) läßt sich Maiers Blogform Social Media GmbH allerdings nicht prüfen. Für das Annoncengeschäft ist das üblicherweise erheblich. Denn die von der IVW ermittelten Auflagen- und Klickzahlen sind für alle Werbetreibenden relevant. Dennoch finden sich auf den Seiten der DWN sehr viele Anzeigen namhafter Unternehmen.

Das Internet-Medium profitiert aktuell (ebenfalls) vom Wirbel um die Alternative für Deutschland. Wie bei vielen anderen Medien weisen Berichte über die neue Partei stets sehr hohe Klick- und Kommentarzahlen auf. Wie die JUNGE FREIHEIT erfuhr, ist das der Grund, warum zum Beispiel Welt.de zeitweise fast täglich über die AfD berichtet hat.

Wer im Online-Journalismus erfolgreich sein wolle, könne nicht mehr an den Interessen der Leser vorbeischreiben, sondern müsse sie thematisieren, sagte ein Redakteur aus der Führungsebene des Springer-Blattes der JF. Und so berichteten auch die DWN regelmäßig über vieles, was die junge politische Gruppierung und ihre Anhänger betrifft. Allerdings ergibt sich hier – im Gegensatz zu anderen Medien – eine inhaltliche Übereinstimmung zu den veröffentlichten Texten.

deutsche-wirtschafts-nachrichten.de

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