© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/13 / 24. Mai 2013

„Eigentlich freust du dich“
Der Schlaf der Vernunft erzeugt Kinder: Dokumentarfilm über jüngste Mütter
Sebastian Hennig

Der Vorspann des Dokumentarfilms „Vierzehn“ von Cornelia Grünberg drängt sogleich ins Verborgene, und sofort werden die Bilder ungewiß. Das Ultraschall-screening eines menschlichen Embryos kann nur eine verschleierte Vorschau auf das Wohlgeratene bieten. Als markante Erscheinung dagegen treten mögliche Abweichung und Mißbildung ins Bild. Neugierde, einerlei ob Böses, ob Gutes winkt, verdeckt den Zustand des hingegebenen Ausharrens. Die heute 53jährige Grünberg begleitete über zwei Jahre lang vier Teenager während deren Schwangerschaft und jungem Mutterdasein.

Grimms „Deutsches Wörterbuch“ vermerkt als eine vermutete Wurzel des Begriffs „schwanger“ das angelsächsische „swangor“ in der Bedeutung von schwerfällig, langsam und träge. Steffi war schockiert und fortan nur von dem Gedanken beherrscht, wie sie die Last wieder losbekommt. Die ganz Schlichten und die sehr Weisen finden die gleichen Worte für die eine Wahrheit: „Vielleicht löst es sich von selbst.“ Und wie bei jedem Orakel ist der Sinn ein anderer, als die Absicht zunächst vorspiegelt. Sie wird von einem Sohn entbunden, dem sie den Heldennamen Jason mitgibt. (Freilich meint sie „Dschähsen“. Vielleicht aber ist die Zeit abermals klüger als sie.)

Die kosmetisch-glatte Fabienne ist alterslos, ein eiskalter, narzißtischer Engel. Laura lebt vertraulich mit ihren Eltern zusammen, die ihr ehrlich klarmachen, daß sie wohl Unterstützung, aber ihr Schicksal nicht abgenommen bekommt. Das eigensinnige, herbe Mädchen erweist sich in dieser Wendung ihres Lebens als sehr erwachsen, fast berechnend. Im gleichen Maße wird die coole Fa-bienne schwärmerisch. „Eigentlich freust du dich, aber alle anderen nehmen dir die Freude weg, das ist ganz schlimm.“

Sie legt den schwierigsten Weg zurück und gelangt vom Pol der äußersten Affektiertheit und Koketterie zur kreatürlichen Bestimmung der Mutterschaft. Nachdem sie sich für das Kind entschieden hat, erfährt sie, daß es mit schweren Schäden auf die Welt kommen wird, und abermals wird ihr das blutige Zepter der Selbstbestimmung in die Hand gedrückt. Hier besteht sie instinktiv auf ihrem weiblichen Privileg der Abhängigkeit von „anderen Umständen“ und entgeht dem Fluch der Selbstbestimmung.

Eine imposante resolute Blonde und ein Afrikaner sind die Eltern der verträumten Lisa, die mit einem erschrocken-angewiderten Zug im milden Gesicht von ihrem Freund Medo berichtet: „Wenn er auf Drogen ist, ist er häßlich.“ Der 12jährige schwängerte ein drei Jahre älteres Mädchen. In der matriarchalischen Großfamilie, in der selbst der Mann nur ein großes Kind ist, wird der Zuwachs einfach als gegeben hingenommen, als der natürlichste Zustand der Welt. Natürlich wurde eifrig Lebensplanung betrieben, Argumente erwogen wie: „Von der Pille wird man fett.“ – „Ich bin auch nicht fett geworden. Aber die Vanessa.“

Und die zu Weibern gewordenen Mädchen machen sich Gedanken über das Potential des in ihnen keimenden Lebens: „Ich hab Angst, daß ich ein Kind kriege, das Klavier spielt und Geige.“ Daß er schwul werden könnte, ist ein weiteres bedrohliches Menetekel. Da ist die Bibel und Gott, der’s nicht erlaubt: „Da kommst du in die Hölle.“

Die Erzeuger werden nicht halb so schnell zu Männern, wie ihre Partnerinnen Weiber wurden. Selbstverständlich wirkt es da, daß Lisa sich von Medo trennt. Stefanie befindet über ihren Mann: „Ich glaub, wenn es den Jason nicht geben würde, wären wir nicht mehr zusammen.“

Regisseurin Cornelia Grünberg wurde mit zwanzig Jahren Mutter. Im Interview spricht sie sich für diese Normalität aus: „Die meisten Frauen verspüren irgendwann so einen Kinderwunsch, egal ob sie 14, 24 oder 34 sind. Das ist so etwas wie ein biologischer Tick. (…) Ich plädiere nicht dafür, daß Mädchen mit 14 Kinder kriegen sollen. Aber man muß ja auch nicht unbedingt bis 40 warten.“

Grünbergs Folgefilm „Achtzehn“ soll die Beobachtung fortführen. Vielleicht entsteht daraus eine Langzeitdokumentation in der Art der „Die Kinder von Golzow“. Was werden wohl Jason, Stella-Luna, Leyla und Valentin in den Episoden „Fünfzig“ bis „Achtzig“ erleben?

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