© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/13 / 24. Mai 2013

Daniele Ganser deckte maßgeblich das Netzwerk der Nato-Geheimarmee mit auf
Armee im Dunkeln
Toni Roidl

Ohne Daniele Ganser gälte die Existenz von Schattenarmeen der Nato in Westeuropa (siehe Hintergrund Seite 12) womöglich immer noch als Verschwörungstheorie. Der Schweizer Historiker recherchierte die Geschichte des sogenannten „Stay Behind“-Netzwerkes der US-Geheimdienste und veröffentlichte bereits 2005 seine Erkenntnisse in dem Buch „Nato-Geheimarmeen in Euro-pa. Inszenierter Terror und verdeckte Kriegsführung“, das 2008 auch auf deutsch erschien und das auf seiner Doktorarbeit von 2001 basiert.

Der erst 41jährige stammt aus dem lombardischen Lugano. Trotz des idyllischen Berg- und Seepanoramas hielt es ihn nicht lange im noblen Finanzzentrum des Tessins. Er studierte zunächst in Basel, dann in Amsterdam, schließlich in London. Neben antiker Geschichte interessiert er sich vor allem für internationale Zeitgeschichte, etwa für die Machenschaften der CIA während der Kuba-Krise, die nach Gansers These in diesem Konflikt die Uno ausmanövrierte (JF 17/07).

Daß verdeckte Kriegsführung und Geheimdienste sein wissenschaftliches Steckenpferd sind, machte ihn natürlich auch zum idealen Autor für einen Sammelband zum Thema 11. September 2001, herausgegeben von Professor David Ray Griffin, einem der Wortführer derer, die den offiziellen Hergang der berühmten Terroranschläge anzweifeln, was auch Ganser tut.

Der sieht heute die Ursache einiger bedeutender Terroranschläge der siebziger und achtziger Jahre in Europa in der Verstrickung westeuropäischer staatlicher Dienste in links- und rechtsextremistische Milieus. Herausragendste Beispiele sind das Bombenattentat auf den Bahnhof von Bologna sowie der Anschlag auf das Münchner Oktoberfest, beide im Jahr 1980.

Gansers Buch wurde ebenso gelobt wie verrissen. Ein Teil der Historikerzunft, etwa Wolfgang Kraushaar, bescheinigte Ganser fundierte Erkenntnisse, andere dagegen nannten das Werk „grotesk überzeichnet“ und rückten es in die Nähe von Verschwörungstheorien.

Tatsächlich besteht das Lindenblatt auf Gansers Forschungsarbeit darin, daß es für die Existenz und Tätigkeit der von ihm aufgedeckten italienischen Nato-Untergrundarmee „Gladio“ gut ausgewertete Protokolle gibt, für die anderen westeuropäischen Länder aber zwar zahlreiche Hinweise, doch nur wenig wirklich belastbare Beweise vorliegen. Und so steht Gansers unbezweifelbarem Verdienst der Zweifel gegenüber, ob er mit seinen Schlußfolgerungen nicht übertreibt.

Inzwischen ist Ganser auch als Energieberater der Schweizer Politik tätig, er tritt massiv für erneuerbare Energien ein. Denn er glaubt, daß Terrorismus auch als Katalysator geostrategischer Ressourcenkonflikte eingesetzt wird. Dem entgegenzuwirken, sieht er als seine Pflicht.

www.danieleganser.ch

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