© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/13 / 17. Mai 2013

Nitratgehalt im Grundwasser steigt wieder
EU-Kommission und Bundesländer verlangen eine Verschärfung der deutschen Düngeverordnung
Horst Meyer

Im Durchschnitt sinken die landwirtschaftlichen Stickstoffeinträge seit 20 Jahren. 1992 lagen die Nitratgehalte bei der Hälfte der Meßstellen oberhalb des Grenzwertes von 50 Milligramm pro Liter. Darauf zog der Gesetzgeber die Daumenschrauben des Ordnungsrechts fester an und verbesserte den Beratungsdienst. Heute ist weit weniger als die Hälfte der Meßstellen auffällig.

Trotzdem geben Bodenkundler keine Entwarnung. Fast ein Drittel aller Grundwasserkörper in Deutschland ist in einem schlechten chemischen Zustand. In den agrarischen „Veredlungsregionen“ Niedersachsens (mit den viehreichen Kreisen Vechta und Cloppenburg), am Niederrhein und in Franken steigen die Nitratwerte sogar. Durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sind Tausende Biogasanlagen entstanden, viele davon in viehdichten Regionen, wo sie die Stickstoffkalamität verschärfen. Der EEG-forcierte Maisanbau bringt zusätzlichen Stickstoffeintrag. Insgesamt ist das eine bedrohliche Entwicklung, so daß nun EU-Bürokraten von der Bundesregierung eine deutliche Verschärfung der Düngeverordnung fordern. Maßstab sollen dänische und niederländische Vorschriften sein, die etwa strengere Sperrfristen für die Ausbringung von Gülle vorsehen (Top Agrar, 3/13).

Agrarministerin Ilse Aigner möchte mit dem sensiblen Thema vor der Landtags- und Bundestagswahl im September nicht die Bauernlobby verschrecken, im Gegensatz zur rot-grünen Opposition, die sich die EU-Forderung zu eigen gemacht hat und im April eine Bundesratsinitative begann. Diese will die für tierische Ausscheidungen geltende Ausbringungsobergrenze von 170 Kilogramm pro Hektar auf alle organischen Düngemittel ausweiten. Ob Aigner auf Zeit spielen kann, ist fraglich, denn die EU-Kommission hat angedroht, die Ende 2013 auslaufende 230-Kilo-Ausnahmeregelung für Gründlandbetriebe nicht zu verlängern. Das träfe 1.200 Betriebe, von denen die Hälfte in Bayern liegt.

Die CSU-Politikerin könnte sich dieser Zwickmühle entziehen, wenn sie Empfehlungen des Thünen-Instituts folgt, das rät, an den „Grundfesten“ der deutschen Regelung nicht zu rütteln, aber moderate Änderungen vorzunehmen. Pauschale Düngungsobergrenzen müßten nicht akzeptiert werden, dafür sollten aber Sperrfristen für die Ausbringung organischer Düngemittel unmittelbar nach der Ernte der Hauptkultur beginnen. Technische Vorkehrungen für eine verlustarme Gülleausbringung seien zu verbessern, höhere Lagerkapazitäten für Gülle und Gärreste zu schaffen und die Phosphatanreicherung mittelfristig zu reduzieren.

Agrarwissenschaftler wie Friedhelm Taube (Uni Kiel) fordern „deutlich weitergehende Verschärfungen“, um den Gewässerschutz zu optimieren. Betroffene Landwirte sehen hingegen bereits bei den Thünen-Vorschlägen Kostenlawinen anrollen. Allein der Bau neuer Güllesilos erzwinge Aufwendungen in sechsstelliger Höhe, die Nachrüstung von Güllefässern sei nicht unter 15.000 Euro zu haben. Angesichts regional steigender Nitratwerte im Grundwasser hat eine um ihr ökologisches Profil besorgte Bundesregierung aber wohl kaum eine Alternative, den Landwirten solche Zumutungen zu ersparen.

Studie des Braunschweiger Thünen-Instituts zur „Evaluierung der Düngeverordnung: literatur.vti.bund.de

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