© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/13 / 17. Mai 2013

Ein Schritt zurück
Bulgarien: Kein Gewinner, aber viele Verlierer / Schwierige Regierungsbildung
Carl Gustav Ströhm jun.

Bulgarien befindet sich nach den vorgezogenen Wahlen vom Sonntag in einem politischen Patt. Zwar schaffte die ehemalige Regierungspartei, die rechtsbürgerliche GERB (Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens) des ehemaligen Premiers Bojko Borissow, mit 30,7 Prozent zum ersten Mal seit 1990, daß eine Partei in dem Land erneut die meisten Stimmen erhielt, dennoch kann man hier nicht von einer politischen Stabilisierung sprechen.

Diese Behauptung läßt sich insofern bestätigen, da es der Koalition für Bulgarien (Koalicija sa Balgarija) – ein Zusammenschluß linker Parteien – nicht gelang, einen eindeutigen Sieg einzufahren.

Das Dilemma, welches sich nun links sowie rechts abzeichnet, ist eindeutig, da sowohl GERB, als auch die Linkskoalition mindestens einen Koalitionspartner brauchen, um eine Regierung zu bilden. Vor allem für GERB scheint dies unmöglich zu sein, da fast alle Parteien eine Zusammenarbeit mit der ehemaligen Regierungspartei im Vorfeld ablehnten. Dabei sollten die ausgerufenen Neuwahlen vor allem für die linke Opposition, unter Führung der postkommunistischen BSP (Sozialistische Partei Bulgariens) eine neue mögliche Kurswende im Land einläuten.

Stattdessen erreichten die Sozialisten nur rund 27,3 Prozent der Stimmen. Somit wurde die Schmach der Wahlen von 2009, in denen die Regierungspartei GERB rund 40 Prozent der Stimmen erhielt, nicht getilgt. Vergleiche des Sozialistenchefs Sergej Stanischew, daß Borissow und und seine der CSU nahestehende GERB ein „Reich des Bösen erschaffen“ oder „effektiv einen Polizeistaat“ aufgebaut, oder Kritik an illegalen Abhöraktionen gegen Oppositionspolitiker sowie Anschuldigungen der Wahlmanipulation überzeugten die Wähler nicht.

Vor allem ließen sich nur wenige der Demonstranten für die Wahl der BSP-Opposition mobilisieren. Diese wählten zum Großteil nicht etablierte Oppositionsparteien, die aber allesamt an der Vier-Prozent-Hürde scheiterten. Knapp ein Viertel der Stimmen ging so verloren.

Dabei hatten gerade diese Unzufriedenen die vorgezogenen Neuwahlen durch Massendemonstrationen erzwungen, die sich vor allem gegen den harten Sparkurs der Regierung Borissow sowie die erhöhten Strompreise gewandt hatten. Geschäftsstellen westeuropäischer Stromanbieter wurden gestürmt. Zahlreiche Demonstranten hatten die sozialen Mißstände in Bulgarien mit der 500 Jahre lange währenden Fremdherrschaft der Osmanen im Land verglichen und die EU als Auslöser ihrer mißlichen Lage gebrandmarkt.

Zünglein an der Waage sind nun die DPS (Bewegung für Rechte und Freiheiten), die vor allem von der türkischen Minderheit im Land gewählt wird und zehn Prozent (-4,5 Prozent) erreichte, sowie die EU-kritische, nationalistische Ataka mit 7,5 Prozent (-1,9).

Während der DPS-Vorsitzende Lütfi Mestan kurz nach der Wahl erklärte, daß seine Partei die konservative GERB nicht unterstützen wird, ließ der Parteichef und Spitzenkandidat von Ataka, Volen Siderow, Berichten von Radio Bulgarien zufolge verlauten, daß er zwar keine Chance für die Bildung einer funktionsfähigen Regierung sehe, „allerdings für dringende Maßnahmen zur Verbesserung des Lebensstandards der bulgarischen Bürger, Vertreibung der ausländischen Monopolisten und Rückbringung von Schlüsselsektoren in bulgarische Hand“ zur Verfügung stünde.

Die unklaren Verhältnisse nach diesen vorgezogenen Wahlen sind geeignet, Bulgarien in eine noch tiefere politische Krise zu stürzen. Neue Großdemonstrationen sind bereits angekündigt. Denn die Gefahr, daß bei einer wackligen Mehrheit der Korruption Tür und Tor geöffnet werden, ist nicht von der Hand zu weisen. Doch auch eine große Koalition zwischen GERB und BSP wäre ein Wagnis – ist vor allem aber nach diesem doch sehr hart geführten Wahlkampf fast ausgeschlossen.

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