© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/13 / 17. Mai 2013

Euro-Krise befeuert Völkerwanderung
Ausländer: Obwohl immer mehr Griechen und Spanier nach Deutschland kommen, stammt die Masse der Einwanderer aus Osteuropa
Christian Schreiber

Die Auswirkungen der Euro-Krise auf die Bevölkerungsentwicklung sind nicht mehr zu übersehen. Im Jahr 2012 sind so viele Menschen in die Bundesrepublik eingewandert wie seit 1995 nicht mehr. Mehr als eine Million Menschen zogen nach Deutschland. Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden vermeldete in der vergangenen Woche einen prozentualen Anstieg um mehr als 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Zugleich verließen 2012 insgesamt 712.000 Personen die Bundesrepublik, das sind 33.000 mehr als im Jahr 2011. Der sogenannte Wanderungsüberschuß betrug 369.000 Personen.

Von den rund 1,1 Millionen Zuwanderern waren 966.000 Ausländer. Die Zahl der Zuzüge von Deutschen – dazu zählen Spätaussiedler und Personen, die aus dem Ausland zurückkehren – ist dagegen mit rund 115.000 relativ konstant geblieben. Hinterdrund für den Anstieg der Einwanderung von Ausländern ist nach Ansicht von Experten die Krise innerhalb der Europäischen Union. „Bis vor kurzem war Deutschland ein Auswanderungsland, aber jetzt strömen die Menschen nach Deutschland und suchen nach Arbeit, weil ihre Heimatländer in der Rezession stecken“, sagte der Arbeitsmarktexperte des Ifo-Instituts, Wolfgang Nagl, dem Wall Street Journal Deutschland. Dementsprechend sind die prozentualen Zuwächse aus den Südländern der Euro-Zone auch am größten. Aus Spanien kamen 45 Prozent mehr Einwanderer als im Jahr 2011, was einen Zuwachs von 9.000 Personen bedeutet. Die Zahl der Einwanderungen aus Griechenland und Portugal stiegen jeweils um 43 Prozent an. Aus Italien wanderten im Berichtsjahr 40 Prozent (plus 12.000) mehr Personen zu. Damit verstärkt sich der Trend, der im Jahr 2010 mit der Griechenland-Krise begonnen hat.

Allerdings bleibt auch die Anzahl der Zuwanderer aus Osteuropa konstant hoch. Von dort nahm die Einwanderung besonders aus Slowenien, Ungarn, Rumänien, Bulgarien sowie Polen zu. Aus diesen Ländern kommen in absoluten Zahlen gesehen nach wie vor die meisten Zuwanderer. Interessant ist hierbei, daß in vielen Medienberichten die Einwanderung aus südeuropäischen Krisenländern stärker thematisiert wird als die konstanten Zuwächse aus Osteuropa, handelt es sich hierbei doch in aller Regel um Länder, die im Zeitraum von 2004 bis 2007 der EU beigetreten sind.

Von der Einwanderung betroffen sind fast ausschließlich westdeutsche Bundesländer. Drei Viertel der Ausländer zog es in fünf Bundesländer: Die Mehrzahl ging nach Bayern (192.000), gefolgt von Nordrhein-Westfalen (186.000), Baden-Württemberg (171.000), Hessen (90.000) und Niedersachsen (89.000). Rund 68.400 Ausländer zogen nach Berlin.

Experten bemängeln, daß aus der Statistik nicht hervorgehe, welche Auswirkungen die Einwanderung auf den Arbeitsmarkt und die Sozialsysteme habe. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen offenbarte eine erstaunliche Interpretation der Zahlen. Über die berufliche Qualifikation der Menschen, die 2012 nach Deutschland kamen, gibt es zwar noch Erhebungen, dennoch ist sich die CDU-Politikerin sicher: „Es geht nicht nur um die Zahl, vor allem die neue Qualität der Zuwanderung ist ein Glücksfall“, sagte die Bundesarbeitsministerin. „Das hilft unserem Land, macht es jünger, kreativer und internationaler. “ Die bisher vorliegenden Zahlen der Bundesagentur für Arbeit bestätigen diese euphemistischen Einschätzungen aber nicht. Zwar geht die Behörde generell davon aus, daß die neue Generation von Zuwanderern durchaus auf der Suche nach Arbeit ist. Aber die Feststellung, daß von den seit 2004 über 100.000 eingewanderten Osteuropäern immerhin 50 Prozent eine Arbeit gefunden habe, bedeutet im Umkehrschluß auch, daß die andere Hälfte arbeitslos ist. Von den Zuwanderern aus Südeuropa stehen immerhin 75 Prozent in Lohn und Brot. Die aktuelle Arbeitslosenquote beträgt derzeit übrigens 7,1 Prozent. Eine Erfolgsgeschichte offenbaren die neuen Einwanderungszahlen folglich nicht.

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