© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/13 / 10. Mai 2013

Drohendes Ungemach
Parteitag der Piraten: Hoffen und Bangen in der Oberpfalz
Henning Hoffgaard

Noch vor dem am kommenden Wochenende in Neumarkt stattfindenden Parteitag ließ der Netzaktivist Stephan Urbach die Bombe platzen. Urbach hatte selbst einige Piraten-Parteitage geleitet und sich innerhalb der Partei einen Namen gemacht. Nun gab er seinen Austritt bekannt und rechnete gnadenlos mit den Piraten ab. Weiß, männlich, frauenfeindlich, unpolitisch seien die Piraten, moniert Urbach. Die Piraten seien zum Großteil eine „konservative Mitte, in der ältere Herren das Sagen übernommen haben und jegliche emanzipatorischen Gedanken im Keim ersticken“. Für die meisten Mitglieder, die der Linkspartei inhaltlich näherstehen als der FDP, sind das unerträgliche Äußerungen. Streit über den Parteikurs ist also vorprogrammiert.

 Auch an anderer Stelle droht Ungemach: Erstmals seit Parteigründung fallen die Mitgliederzahlen. Derzeit sind 32.290 Mitglieder registriert. Seinen Mitgliedsbeitrag hat nur etwa jeder dritte überwiesen. Die entgangenen Beiträge machen es der Partei schwer, die Bundestagswahl zu finanzieren.

 Zumindest programmatisch sollen in Neumarkt neue Themenfelder erschlossen werden. Im Antragsbuch finden sich neben den Klassikern „Transparenz“, „Datenschutz“ und „Mitbestimmung“ auch zahlreiche Vorschläge zur Familienpolitik. „Wir Piraten setzen uns dafür ein, daß der Begriff ‘Ehe’ durch die ‘eingetragene Lebenspartnerschaft’ ersetzt wird“, heißt es etwa. Und: „Des weiteren wollen wir für alle Formen der homosexuellen, heterosexuellen und polyamanten (Liebesbeziehung zu mehr als einem Menschen) Partnerschaften, die eingetragene Lebenspartnerschaft öffnen.“ Über welche Anträge am Ende auch wirklich abgestimmt wird, entscheidet allerdings der Parteitag. Neben der Familienpolitik finden sich auch Vorschläge zur Landwirtschaft, Gesundheitspolitik und dem Asylrecht.

Für Spannung dürfte vor allem die Entscheidung über den neuen Politischen Geschäftsführer sorgen. Noch-Amtsinhaber Johannes Ponader hatte sich in weiten Teilen der Basis mit seinen peinlichen Auftritten in der Öffentlichkeit unmöglich gemacht. In einer parteiinternen Abstimmung stellten ihm 90 Prozent der Mitglieder eine miese Note aus. Ponader zog nach einigen Tagen die Konsequenzen und will auf dem Parteitag zurücktreten. Nicht jedoch ohne eine Rede zu halten. Viele warten gespannt darauf, ob er mit seiner Partei abrechnet. Ein Nachfolger hat sich bisher nicht in Stellung gebracht. Die charismatische Marina Weisband, Vorgängerin von Ponader, hat bereits abgewinkt. Sollte es der Partei nicht gelingen, ihre inhaltliche Basis zu erweitern und sich auch mit Köpfen zu profilieren, rückt der Einzug in den Bundestag in weite Ferne.

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