© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/13 / 10. Mai 2013

Europäisches Einheitsprojekt
Crystal Meth: Die Modedroge hält Polizei und Politik in Atem
Paul Leonhard

Die Horrordroge Crystal ist ein Produkt europäischer Zusammenarbeit. Die Zutaten gibt es legal in Polen. Hergestellt wird sie in Drogenküchen in Tschechien, die fest in den Händen der dort lebenden Vietnamesen sind. Etwa zehn Tonnen werden jährlich hergestellt, die Hälfte davon ist für Konsumenten in Deutschland bestimmt. Den Schmuggel über die Grenze übernehmen vor allem deutsche Kleindealer. Galt die neue Designerdroge in den vergangenen Jahren als ein Problem der Anrainerländer Bayern und Sachsen, hat sich diese Einschätzung nach der Veröffentlichung der Drogenstatistik 2012 geändert. Danach ist die Zahl der Erstkonsumenten von Crystal auf 2.556 angestiegen, was 51 Prozent entspricht. Betroffen ist auch die Hauptstadt. Hier ist das „Kokain des Ostens“ nach Amphetaminen und Ecstasy die beliebteste Partydroge, wie im Herbst 2012 eine Umfrage der Berliner Fachstelle für Suchtprävention feststellte.

Die auf der Basis von Amphetaminen hergestellte Droge wird meist als kristallines Pulver angeboten und geschnupft. Sie wirkt schnell, hält lange wach, enthemmt und euphorisiert. Die Wirkungen sind verheerend. Es folgen Schlaflosigkeit, Depressionen und Lethargie. Die Droge ist hochgiftig für die Nervenzellen und macht sehr schnell abhängig. „Es gibt Fälle, bei denen Crystal-Konsumenten innerhalb eines Jahres körperlich und seelisch zu Wracks geworden sind“, sagte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich in einem Interview mit der Mittelbayerischen Zeitung. Im vergangenen Jahr suchten in Sachsen rund 3.500 Crystal-Konsumenten die Suchtberatungen auf. Vor bundesweiten Präventionsmaßnahmen warnen dagegen Jörg Ziercke, Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), und Mechthild Dyckmans, Drogenbeauftragte der Bundesregierung: Man wisse noch zu wenig über die Konsumenten und ihre Motive. In Bundesländern, in denen Crystal bisher kaum verbreitet ist, dürfe keine „Neugier“ darauf geweckt werden.

Zoll, Bundes- und Landespolizei haben trotz Personalabbaus ihre Kontrollen intensiviert. Im vergangenen Jahr wurden die Beamten in 1.526 Fällen in Sachsen fündig und 1.292mal in Bayern. Im tschechischen Grenzgebiet werden jährlich 300 bis 400 Drogenküchen ausgehoben. Noch tun sich deutsche, polnische und tschechischen Behörden beim gemeinsamen Kampf gegen die Hintermänner des Drogengeschäfts schwer. Immerhin konnte Friedrich bei Gesprächen im Februar erreichen, daß in Tschechien Crystal nicht mehr „zuerst als ein deutsches Problem“ betrachtet wird. Von Gesprächen mit Polen wird erhofft, daß dort wie in Tschechien der Verkauf von Ausgangsstoffen für Crystal überwacht wird.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen