© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/13 / 03. Mai 2013

Körpergeschichte des Industriezeitalters: Aus der „Povertät“ emporgerackert
Größer, älter und gesünder
(wm)

Noch um 1820 waren die sozialen Zustände in Westeuropa „unvorstellbar schlecht“ und es herrschte eine „schreckliche Armut“. Die Mehrzahl lebte an der Grenze des Existenzminimums und befand sich in miserabler gesundheitlicher Verfassung – eigentlich ungünstige Startbedingungen für die „Industrielle Revolution“. Die körperliche Konstitution der drei Generationen, die zwischen 1830 und 1880 Deutschland vom Agrar- in einen Industriestaat verwandelten, blieb darum von der „Povertät“ ihrer Altvorderen geprägt. Die durchschnittliche Körpergröße der schwächlichen Unterschichten lag bei 165 Zentimetern. Die dürftige Ernährung bremste das pubertäre Wachstum, begrenzte die Lebenserwartung auf im Schnitt vierzig Jahre. Die Hälfte eines Proletarierjahrgangs wurde regelmäßig als militärisch unbrauchbar ausgemustert. Der biologische Zustand der Bevölkerung besserte sich erst vor gut hundert Jahren. Die Industrielle Revolution, so lautet das Fazit des Wissenschaftsjournalisten Manfred Vasold (Naturwissenschaftliche Rundschau, 3/2013), habe sich daher zumindest für Nachfahren der „arbeitenden Klassen“ des 19. Jahrhunderts gelohnt und ihnen „fast nur Vorteile“ beschert. Die Lebenserwartung der Deutschen verdoppelte sich seit 1880, sie genießen mehr Freizeit und ein gesünderes Leben in einer Gesellschaft, in der es keine großen sozialen Unterschiede mehr gebe.

www.naturwissenschaftliche-rundschau.de

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