© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/13 / 03. Mai 2013

Karikaturen sollen nicht jedem gefallen
Ein Arte-Themenabend greift die zunehmenden Denkverbote in Europa auf / Beispiel: Karikaturen
Toni Roidl

Karikaturen sind ein feiner Seismograph für die Pressefreiheit, weil ihre Wirkung unmittelbarer ist, als ein langer Artikel – ein Bild sagt bekanntlich mehr als die sprichwörtlichen tausend Worte und vor allem schneller. Eine gute Karikatur wirkt wie ein Verkehrsschild: Die Botschaft wird auf einen Blick erfaßbar.

Der Arte-Themenabend zur Zensur widmet sich der Einschränkung der Pressefreiheit. Ausnahmsweise geht es einmal nicht um den Iran oder Weißrußland, sondern den ach so freien Westen.

Natürlich gilt bei uns uneingeschränkte Pressefreiheit – aber... Das aber bezieht sich vor allem auf „den Respekt vor fremden Kulturen“. Der Zeichner einer französischen Tageszeitung bringt das Dilemma in einem Bild auf den Punkt: Er zeichnete ein Mohammed-Porträt, das nur aus Schrift bestand. Die Gesichtskonturen setzen sich aus immer wieder demselben Satz zusammen: „Ich darf Mohammed nicht zeichnen.“

Auf einem drastischeren Bild köpft ein bärtiger Islamist einen Zeichner, der im Tod noch sagt: „Aber das ist doch Mohammed Ali!“ Das Umgehen von Verboten durch Phantasie erinnert an die gewagten Eiertänze von Karikaturisten in der Bismarck-Ära.

Jean Plantureaux ist Karikaturist der Le Monde und gründete 2006 das Zeichner-Netzwerk „Cartooning for Peace“. Er sagt: „Wenn man aus Angst vor starren Grenzen seine Meinung gar nicht erst äußert, siegt die Intoleranz.“

Während in Europa und den USA das Karikieren des Fremden aus „politischer Korrektheit“ als „fremdenfeindlich“ verfemt wird, bekommen Zeichner in anderen Ländern Probleme, wenn sie das tun, was bei uns gerne gesehen wird – die eigene Kultur verhöhnen. Der jüdische Karikaturist Michel Kichba mußte seine Bilder als „Stürmer-Karikaturen“ schmähen lassen, weil er Rabbiner mit großen, krummen Nasen gezeichnet hatte. Er schmunzelt: „Die Nase ist bei uns ein sehr, sehr heikles Thema.“ Sein palästinensischer Kollege hat viel größere Probleme. Er würde sich gerne über die Hamas lustig machen, hat aber berechtigte Angst vor deren eindeutigen Gewaltdrohungen.

Gewalt von Islamisten muß auch die tunesische Künstlerin Nadia Khiari fürchten. Noch mehr Angst aber hat sie davor, daß der schmale Fensterspalt demokratischer Freiheit zwischen Mubaraks Regime und einer islamischen Diktatur bald wieder geschlossen wird. Ihr Markenzeichen, ein frecher Kater, den sie auch an Hauswände sprüht, könnte sie dann das Leben kosten.

Im Westen haben viele Karikaturisten schon vor wesentlich geringerem Risiko kapituliert. Der Zeichner Jeff Danziger von der Huffington Post meint: „Ich will schließlich, daß meine Karikaturen gedruckt werden, also zeichne ich nichts, von dem ich weiß, daß die Redakteure es unangemessen finden.“

Das kann Plantu nicht akzeptieren: „Eine Karikatur, die auf allgemeine Zustimmung stoßen soll, ist witzlos.“ Einig sind sich die Zeichner jedoch in einem: „Wir leben in einem Zeitalter der Angst in den Medien. Die Verantwortlichen in den Redaktionen werden immer prüder. Immer öfter hört man ‘Sie haben zwar Recht, aber das kann man so nicht sagen’.“

Ein bizarres Beispiel berichtet der belgische Karikaturist „Kroll“. Er wollte den sorglosen Umgang mit persönlichen Daten im Internet darstellen. Eine junge Frau öffnet ihre Wohnungstür, davor stehen zahlreiche Männer. Die Männer sagen: „Wir haben erfahren, daß Sie ledig sind.“ Die Frau antwortet: „Aber das steht doch erst seit 15 Minuten auf Facebook!“

Kroll: „Um zu zeigen, daß es um weltweit verfügbare Daten geht, habe ich internationale Männer gezeichnet: einen großen Schwarzen, einen Hindu mit Turban, einen Araber und auch ein Marsmännchen.“ Darauf wurde er in einem Presseartikel beschuldigt, „ganze Gemeinschaften zu stigmatisieren“. Die EU-Kommission, so der Artikel, müsse solche Karikaturen verbieten! Die Marsmenschen werden es nicht gewesen sein, die sich beschwert haben.

Kroll schimpft: „Wie soll ich denn sonst zeigen, daß die Menschen verschieden sind? Wenn ich auf solche Leute höre, kann ich die Realität nicht abbilden!“ Genau das sei die Absicht dieser Leute.

Plantu nennt das „Intoleranz im Zeichen der Toleranz“. Er klagt: „Besonders seit die Linke in Frankreich regiert, nimmt diese Form von Zensur zu. Bei den rechten Politikern war das kein Problem, sie zu verspotten, aber wenn man die Linken karikiert – oha! Die Linken müssen sich erst daran gewöhnen, daß nicht nur Konservative verspottet werden.“

Er lacht: „Gibt es bald Warnhinweise? Achtung, auf Seite 5 ist möglicherweise beleidigender Inhalt für Moslems.“ Wer weiß? Denkbar ist vieles in der EU.

Zensur: Nein danke! 7. Mai, 22.05 Uhr, Arte

www.arte.tv

Foto: Karikatur: Der Zeichner Jean Plantureaux, der für „Le Monde“ und „L‘Express“ arbeitet, spießt den Islamismus auf

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