© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/13 / 03. Mai 2013

Das deutsche Milliardengrab
Photovoltaikindustrie: Trotz einem Jahrzehnt politischer und finanzieller Förderung scheint die Branche vor dem Zusammenbruch zu stehen
Christian Schreiber

Es ist der langersehnete Traum vieler Öko-Bewegter. Eine Energieerzeugung durch Mutter Natur, durch Sonne und Wind. Das Zauberwort heißt Photovoltaik – die direkte Umwandlung von Sonnenlicht in elektrische Energie mittels Solarzellen. Es versetzte eine ganze Generation von Forschern in Verzückung. Es sollte die Energiewende bringen. Doch nun ist der Zauber vorbei. Vorigen Monat sorgte auch das deutsche Vorzeigeunternehmen Solarworld für negative Schlagzeilen.

Über eine Mitteilung der Börse teilte das Unternehmen des schillernden Grünen-Mitgründers Frank Asbeck schockierende Neuigkeiten mit: Das Eigenkapital des Bonner Unternehmens ist komplett aufgebraucht, das Kapital der Aktionäre vernichtet (JF 18/13). Zudem wurde im Jahr 2012 ein Minus von rund einer halben Milliarde Euro eingefahren. Nun will der Vorstand mit den Gläubigern, allen voran Banken verhandeln. Man übt sich in Zuversicht, doch es klingt wie das Pfeifen im Walde.

Dabei sah es vor einigen Jahren noch ganz anders aus: 1998 wurde Solarworld gegründet, zwei Jahre später trat das rot-grüne Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) mit seinem milliardenschweren „100.000-Dächer-Programm“ für Photovoltaikanlagen in Kraft. Für Strom aus Photovoltaikanlagen, die 2001 in Betrieb gingen, wurden 50,6 Cent pro Kilowattstunde Strom gesetzlich garantiert. 2002 waren es immerhin noch 48,1 Cent. Zum Vergleich: Braunkohlenstrom kostet drei bis vier Cent, selbst Wasserkraft und Windenergie mußten sich anfangs mit sechs bis neun Cent begnügen. Eine Lizenz zum Gelddrucken würde man das in anderen Branchen nennen – zu zahlen hatten die sensationellen Solarrenditen die Stromkunden durch ihre EEG-Umlage, die inzwischen bei 5,28 Cent pro Kilowattstunde plus Mehrwertsteuer angelangt ist.

Asbeck verjubelte seine Erlöse allerdings nicht, sondern er startete Hilfsprojekte in Afrika, für den benachbarten FC Köln finanzierte er die Rückkehr des Fußballspielers Lukas Podolski. Und damit nicht nur die grüne Klientel sich Solarpanele auf das Dach montieren läßt, strahlte im Fernsehen der US-Schauspieler Larry Hagman, besser bekannt als Ekel J. R. Ewing aus der Serie „Dallas“, in einem Solarworld-Werbespot: „Shine, baby, shine!“ rief er der Sonne entgegen, die auf ein Dach voller Solarzellen strahlt. Hagman ist im vorigen Jahr verstorben, und im – im Gegensatz zu Texas – oft wolkenverhangenen Deutschland strahlt auch die Sonne für die Solarbranche nicht mehr.

Der Niedergang der deutschen Photovoltaikindustrie scheint unaufhaltsam. Die Branche, die auch unter Schwarz-Gelb weiter gehätschelt wurde, steckt in einer tiefen Krise. Voriges Jahr hat mehr als ein Drittel ihrer Betriebe Pleite gemacht, die Beschäftigungszahlen sind um die Hälfte zurückgegangen. Laut Statistischem Bundesamt gab es im Februar 2013 nur noch 21 Hersteller von Photovoltaikanlagen in Deutschland. Ein Jahr zuvor waren es noch 33 Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern. Zu schaffen machen vor allem der Preisverfall durch Billigimporte aus China und reduzierte Subventionen für den Bau der Anlagen. Doch ohne Steuerzahler- und Stromkunden-„Hilfe“ darbt die Branche. „Wenn wir diesen Markt aufgeben, dann haben wir uns für die nächsten Jahrzehnte nicht richtig verhalten“, klagt Asbeck, der medial einst als „Sonnenkönig“ gefeiert wurde.

Auch die Politik ist beunruhigt. Schließlich sind Unsummen in Solarzellen geflossen. „Das ist die letzte große Firma, die darf nicht kaputtgehen“, zitiert eine Nachrichtenagentur anonym „aus Regierungskreisen“. Berlin fürchte sogar Turbulenzen an den Börsen. Schon 2012 war für Solar-Aktionäre ein schwarzes Jahr. Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) führt in ihrer aktuellen Liste der „größten Kapitalvernichter“ fünf Firmen aus der Solarbranche unter den zehn schlimmsten. Diese Branche hänge „am Subventionstropf der Regierung“, konstatiert DSW-Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler.

Die größte Hoffnung richtet sich nun auf mögliche Restriktionen der EU. Die Kommission prüft – nach US-Vorbild – eine Klage der europäischen Solar-Verbände gegen chinesische Firmen. Anfang Juni könnte eine Entscheidung fallen. Aber ob Strafzölle die Rettung bringen, ist heftig umstritten, arbeiten viele deutsche Firmen doch inzwischen eng mit der chinesischen Konkurrenz zusammen. Der Bosch-Konzern hat hingegen nach Milliardenverlusten bereits die Reißleine gezogen und die Schließung seines „grünes Milliarden-Grabs“ angekündigt (JF 6/13). Als letzter Marktriese gilt Solarworld. Käme es zu einer Insolvenz, wäre dies mit dem Ende der deutschen Solarindustrie gleichzusetzen.

Doch der deutsche Markt ist bereits so gut wie erschöpft, bei 52.000 Megawatt installierter Leistung soll die Förderung auslaufen. Derzeit sind es 33.000 Megawatt – bei voller Sonneneinstrahlung entspricht dies der möglichen Leistung von 24 Atomkraftwerken. Manuel Frondel vom Wirtschaftsforschungsinstitut RWI warnt seit langem vor „gigantischen Negativrenditen“. Die „gigantischen Subventionen“ der deutschen Stromverbraucher an die Photovoltaikindustrie hätten „nicht bewirkt, daß die deutsche Solarbranche wettbewerbsfähig ist: Ihre Anlagen sind teuer, technisch dagegen oft nur Durchschnitt“, sagte Frondel kürzlich der Welt. Und unter den Top 20 auf dem Weltmarkt findet sich schon lange kein deutsches Unternehmen mehr.

Foto: Dunkle Sturmwolken über deutschem Solarpark: Die Lizenz zum Gelddrucken droht zu verfallen

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