© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/13 / 03. Mai 2013

Berliner „Citytax“ soll die ungeliebten Touristenströme anzapfen
Rotzfrech
Ronald Gläser

Jede Stadt, jedes Land macht sich so unattraktiv, wie es eben geht für Besucher. In Amerika und Israel werden Touristen mit Sicherheitskontrollen gequält. Ägypten hat gerade eine Ausreisesteuer eingeführt. Und dann gibt es unsere Kurtaxe, eine Bettensteuer, die Besucher zu zahlen haben und die vom Hotelier für den Staat eingetrieben wird. In den USA heißen die Äquivalente Tourist Development, Impact oder Local Option Taxes, die plötzlich unvermittelt auf der Endrechnung stehen. Jeder Berlinbesucher zahlt nun entsprechend eine „Citytax“. Sie beträgt fünf Prozent Übernachtungskosten. Betroffen sind alle: von den großen Ketten bis hin zu privaten Ferienwohnungsvermietern. Sie alle müssen sich mit neuen Formularen vertraut machen und ihre Preise dem Finanzhunger der chronisch unterfinanzierten Stadt anpassen.

Eigentlich sollte Berlin dankbar sein, daß es so viele Touristen gibt. Nach dem Niedergang der Industrie seit 1990 ist diese Dienstleistungsbranche das größte volkswirtschaftliche As im Ärmel der Spreemetropole. Aber Touristen sind – anders als spezielle Ausländergruppen, die bei Linken sofort Beschützerinstinkte auslösen – unbeliebt. Gerade in den gentrifizierten, rotgrünen Milieuvierteln wie Kreuzberg oder Prenzlauer Berg gibt es einen veritablen Touristenhaß. Bezirke verbieten Hauseigentümern ihre Wohnungen an Touristen zu vermieten. Die Polizei muß nachts beliebte Treffpunkte räumen, um die Ruhe der besserverdienenden Anwohner nicht zu gefährden. Jetzt die Steuer.

Es ließe sich auch so zusammenfassen: Statt dankbar zu sein, daß Italiener, Franzosen und Engländer in die Stadt kommen und Geld ausgeben, spuckt der Berliner Senat ihnen rotzfrech mitten ins Gesicht und ruft: „Wenna die Siejessäule sehn wollt, müßta ooch zahlen.“ Was ist naheliegender als eine neue Steuer? In dem realsatirisch-sozialistischen Biotop Berlin ist sie nur die nächste Stufe der Eskalation im Kampf der Stadt gegen alle diejenigen, die etwas produzieren oder konsumieren wollen.

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