© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/13 / 03. Mai 2013

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Schwuler Ehekrach
Henning Hoffgaard

Die Aufregung in der CDU ist groß. „Habe mich selten so geärgert“, twitterte der Bundestagsabgeordnete Jens Spahn empört. „Das ist völlig unverständlich“, kritisierte der Berliner CDU-Generalsekretär Kai Wegner. Der stellvertretende Vorsitzende der Union im Abgeordnetenhaus der Hauptstadt, Steffen Evers, sprach gar von einer „schallenden Ohrfeige“.

Was war passiert? Hatten CDU und CSU beschlossen, die Förderung von Familien abzuschaffen, die Bundeswehr aufzulösen oder Peer Steinbrück zum Kanzlerkandidaten zu wählen? Nein, alles noch viel schlimmer! Die Organisatoren des Berliner Christopher Street Days (CSD) haben den Unionsparteien verboten, auf der Homosexuellen-Parade mit einem eigenen Wagen teilzunehmen. Die Begründung: „Die CSD-Parade ist eine Demonstration gegen Diskriminierung und für gleiche Rechte.“ Sissy Kraus, „Vorständin“ des Berliner CSD-Vereins. wird noch deutlicher. Die CDU, monierte sie, bediene mit ihrer Ablehnung der Homo-Ehe den Stammtisch und schüre „übelste Vorurteile“.

Eine derartig „verfassungswidrige und undemokratische Haltung“ sei auf dem CSD nicht willkommen. Ausgenommen von dem Verbot bleibt allerdings die Lesben- und Schwulenunion (LSU) innerhalb von CDU und CSU. Diese dürfe auch weiter an der Parade teilnehmen. So recht freuen mögen sich die lesbischen und schwulen Unionsmitglieder darüber nicht. „Wir sind eins. Wenn die CDU nicht an der Parade teilnimmt, werden wir das auch nicht“, sagte der Berliner Landesvorsitzende des LSU, Martin Och, in Berlin. Die Fronten sind also verhärtet.

Zumal die Begründung der Organisatoren, die Parade dürfe nicht für „Wahlwerbung mißbraucht“ werden, angesichts der regelmäßigen Teilnahme von SPD, Grünen, Links- und Piratenpartei sowie FDP nicht ganz stichhaltig ist. Spahn, selbst bekennender Homosexueller, goß noch Öl ins Feuer. Von einer öffentlichen Demonstration könne niemand ausgeschlossen werden, erinnerte er. „Dann ist CSD keine Demo mehr und Straßenreinigung ist selbst zu zahlen.“ Bisher gilt der Umzug noch ausdrücklich als politische Demonstration, deren Hinterlassenschaften auf Kosten der Steuerzahler von der Stadtreinigung entfernt werden. Das könnte bei den erwarteten mehreren hunderttausend Besuchern richtig teuer werden. Um eine weitere Eskalation des Konfliktes zu vermeiden, sollen die Differenzen nun am runden Tisch diskutiert und, so hofft die LSU, auch beigelegt werden. Unerwartete Unterstützung bekamen die Christdemokraten dabei von SPD und Grünen. Die monierten, die Entscheidung der Berliner Demonstrationsorganisatoren sei vorher nicht ausreichend demokratisch diskutiert worden. Die Vorsitzenden des CSD-Vereins hätten auf eigene Faust gehandelt, kritisierte der Grünen-Politiker Thomas Birk.

Bis zum 22. Juni bleibt CSD und CDU noch Zeit, ihre Differenzen zu klären. Bis dahin wird sich zeigen, wie belastbar die Verbindung der beiden ungleichen Partner ist. Scheidung nicht ausgeschlossen.

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