© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/13 / 03. Mai 2013

Furcht vor einem Populismus 2.0
„Alternative für Deutschland“: Nach der CDU warnen auch die Strategen von SPD und FDP vor der Euro-kritischen Partei
Marcus Schmidt

In den Abteilungen der Bundestagsparteien, die für die Beobachtung des politischen Gegners zuständig sind, herrscht Hochbetrieb. Ursache hierfür ist nicht alleine der Bundestagswahlkampf, sondern auch der anhaltende Höhenflug der Euro-kritischen „Alternative für Deutschland“ (AfD), die wenige Wochen nach ihrer Gründung in den Umfragen bei drei bis fünf Prozent liegt.

Bereits in der vergangenen Woche war ein internes Papier der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung bekanntgeworden (JF 18/13), in dem die Union davor gewarnt wird, die AfD zu unterschätzen. Nun liegen auch entsprechende Analysen der SPD und der FDP mit einem ähnlichen Tenor vor. „Die AfD ist sehr ernst zu nehmen“, heißt es etwa in einem zehnseitigen Vermerk aus der Feder des „Referenten für Grundsatzfragen beim SPD-Parteivorstand“, Frank Wilhelmy. Seit langem existiere ein stabiles und relevantes Potential für eine populistische Partei in Deutschland. Aus historischen, personellen und inhaltlichen Gründen habe dieses jedoch bisher nicht dauerhaft ausgefüllt werden können. Dies könnte sich nun ändern: „Die AfD entwickelt derzeit einen ‘Populismus 2.0’, der dieses Problem teilweise lösen könnte“, heißt es in dem SPD-Papier unter Verweis auf eine offensive Abgrenzung „nach rechts“ und die straffe Führung der Partei durch einen „kleinen Machtzirkel um Bernd Lucke“. Den Vorwurf, die AfD habe neben dem Euro kein weiteres Thema, teilt Wilhelmy nicht: „Das Programm ist zwar bescheiden, jedoch keineswegs eine Ein-Punkte-Veranstaltung.“

Einen Erfolg kann die AfD bereits jetzt für sich verbuchen: „Die Europroblematik nimmt generell einen höheren Stellenwert im Wahlkampf ein“, heißt es in der Analyse aus dem Willy-Brandt-Haus. Dort hält man es denn auch für möglich, daß die Konflikte in den Regierungsparteien zur Euro-Krisenpolitik – namentlich werden die Euro-Dissidenten Wolfgang Bosbach, Peter Gauweiler und Frank Schäffler genannt – zunehmen. Diese Konflikte seien „geeignet für Attacken durch SPD und Grüne“, lautet die Handlungsempfehlung.

Die Abteilung „Strategie, Dialog und Kampagne“ der FDP-Parteizentrale sieht die AfD als ein Sammelbecken politisch Unzufriedener mit einer tendenziell nationalkonservativen Ausrichtung. Während das zwölfseitige Papier wenig inhaltliche Berührungspunkte mit der FDP ausmacht, hält sie es für möglich, daß die AfD „unter Umständen“ die konservativen Einflüsse in der Union stärken könnte.

Derweil wurden am Wochenende die AfD-Landesverbände in Berlin, Sachsen, Thüringen, Schleswig-Holstein und Brandenburg gegründet. In Sachsen wählten die Mitglieder die Vorstandssprecherin der Bundespartei, Frauke Petry, mit 99,7 Prozent auch zur Landeschefin. In Brandenburg sicherte sich ein weiteres Mitglied des Bundesvorstandes eine aussichtsreiche Position. Der frühere hessische Staatssekretär und Publizist Alexander Gauland wurde auf dem Gründungsparteitag in Nauen zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl gewählt.

In Berlin sorgte zu Beginn der Gründungsversammlung die ungeklärte Mitgliedschaft von Beatrix von Storch für Verwirrung. Der frühere FDP-Abgeordnete Axel Hahn schlug vor, einen der drei Sprecherposten für die Vorsitzende der Euro-kritischen Zivilen Koalition freizuhalten, aber die Versammlung entschied anders. Ein Antrag, sie per Akklamation sofort als Mitglied aufzunehmen, wurde nicht zur Abstimmung gestellt. Es ist nicht klar, ob Frau von Storch auf dem noch ausstehenden Nominierungsparteitag der Berliner AfD Chancen auf einen aussichtsreichen Spitzenplatz für den Bundestag hat.

Ärger droht der Parteiführung aus Baden-Württemberg. Dort hatten sich nach dem Landesparteitag vor zwei Wochen einige Teilnehmer über einen „Durchmarsch“ ehemaliger FDP- und CDU-Funktionäre beklagt und eine Bevormundung durch die Bundespartei kritisiert. In einem „Stuttgarter Appell“ fordern mehrere Mitglieder nunmehr innerparteiliche Demokratie und die Aufstellung von Direktkandidaten, auf die der Landesverband bislang verzichtet hat.

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