© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/13 / 03. Mai 2013

Die Rückkehr der Amigos
Bayern: Die Affäre um den gestürzten Fraktionschef Georg Schmid bringt die CSU in Bedrängnis
Paul Rosen

Beim politischen Aschermittwoch 1993 hatte der damals mitten in einer Korruptionsaffäre steckende bayerische Ministerpräsident Max Streibl in Passau seine Zuhörer mit „Saludos Amigos“ begrüßt. Kurz danach stürzte Streibl, und unter seinem Nachfolger Edmund Stoiber setzte die saubergewaschene CSU zu einem beispiellosen Höhenflug an, der in einer Zweidrittelmehrheit im Landtag gipfelte. Seit Stoibers Sturz geht es wieder bergab, und Epigone Horst Seehofer sieht sich nun mit einer neuen Amigo-Affäre konfrontiert, die fünf Monate vor der Landtagswahl die Hoffnung auf einen Rückgewinn der verlorengegangenen absoluten Mehrheit stark eintrübt.

Der Verantwortliche für die jüngste Affäre, der als „Schüttel-Schorsch“ bekannt gewordene CSU-Fraktionsvorsitzende Georg Schmid, ist zurückgetreten, nachdem öffentlich wurde, daß er neben einem Fraktionsvorsitzenden-Gehalt von 20.000 Euro weitere 5.500 Euro monatlich plus Mehrwertsteuer für die Mitarbeit seiner Ehefrau im Wahlkreisbüro kassierte. Der stets alle Hände schüttelnde Schmid ist kein Einzelfall. Weitere 16 CSU-Abgeordnete beschäftigten ebenfalls Ehefrauen und nahe Verwandte über eine Sonderbestimmung des Abgeordnetengesetzes, wonach das in „Altfällen“, die vor dem Jahre 2000 bestanden, erlaubt blieb.

Der Schaden ist enorm, auch finanziell. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten rechneten im Internet vor, daß die CSU-Abgeordneten seit 2000 etwa acht Millionen Euro für die Beschäftigung von engen Verwandten aus der Steuerkasse abgesaugt haben dürften. Der politische Schaden ist noch größer: „Seehofers Spitzenkandidatur wird überschattet von CSU-Vettern- und Günstlingswirtschaft“, stellte der SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher fest. In der Tat hängt Seehofer und der CSU wieder der Amigo-Geruch an.

Der Fall Schmid zeigt außerdem die Erosion der CSU. Die von ihm geführte Landtagsfraktion ist längst nicht mehr wie zu Zeiten seines Vorgängers Alois Glück die „Herzkammer der CSU“. Die Macht konzentriert sich heute in Seehofers Staatskanzlei, aus der aber ständig wechselnde Signale kommen und die Dauer politischer Standpunkte das Haltbarkeitsdatum eines Joghurtbechers selten überschreitet. Kein anderer als Seehofers schärfster Rivale, der bayerische Finanzminister Markus Söder, brachte den Zustand der Seehofer-Partei beim „Derblecken“ während des Münchner Maibock-Anstichs auf den Punkt: „Wir haben überlegt, welches Bier paßt zu Horst Seehofer?“ Die Antwort: „Eiskalt gehopfter Hallodri.“

Tatsächlich hat der als Taugenichts verspottete Partei- und Regierungschef noch mehr Probleme, die ihm zu schaffen machen. So wird in der CSU getuschelt, warum die Mutter von Seehofers unehelichem Kind, Anette Fröhlich, ausgerechnet den Posten der Berliner Büroleitung der Bundesnetzagentur bekommen hat. Die Agentur ist eine Behörde mit Zuständigkeiten von Telefon bis Eisenbahn. Sie wird beaufsichtigt von der Bundesregierung – und dort auch von dem vom CSU-Mann Peter Ramsauer geführten Verkehrsministerium. Mit Verkehr hatte Seehofers Kindsmutter vorher selten zu tun: Sie war Berliner Repräsentantin der Filmfirma Constantin.

Gravierender ist jedoch der Steuerhinterziehungsfall des FC Bayern-Präsidenten Uli Hoeneß. Hoeneß stand für das bayerische „Mir san mir“-Gefühl und somit für die CSU. Seehofer selbst stellte fest: „Wenn es dem FC Bayern gut geht, dann geht es auch der CSU gut.“ Daß Hoeneß sich wegen Verdachts der Steuerhinterziehung selbst angezeigt hat, erschüttert das bayerische Selbstgefühl und die CSU. Seehofer, der sich bislang stets gerne mit Hoeneß ablichten ließ, machte schon wieder kehrt und fordert jetzt eine Einschränkung der strafbefreienden Selbstanzeige für Steuerhinterzieher, die von der Berliner Koalition erst 2011 neu geregelt worden war: „Gegen solche Straftäter muß der Staat mit der ganzen Härte des Gesetzes vorgehen.“

Mit seinen markigen Sprüchen versucht der CSU-Chef darüber hinwegzutäuschen, daß sein Laden wie ein Fisch von der Spitze her stinkt und fault. Seehofers Ruf selbst ist als Wendehals, Hallodri und wegen der außerehelichen Eskapade ziemlich ruiniert. Die Landtagsfraktion ist durch die Schmid-Affäre gelähmt und war auch zuvor nur noch ein Schatten früherer Glanzzeiten. Schmids Nachfolgerin, Christa Stewens, ist eine Übergangskandidatin, die nicht mehr für den neuen Landtag kandidiert. Mit Stewens’ Wahl konnte der Zugriff von Söder auf die Fraktionsführung verhindert werden. Seehofer, der nicht kollegial regieren und führen kann, sondern einen autistischen Stil pflegt, will keinen ernstzunehmenden Rivalen auf dem wichtigen Posten im Maximilianeum. Unterstützt wurde er dabei in einer Zweckkoalition von Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner, die im Herbst Berlin verlassen und in den bayerischen Landtag einziehen will. Die mächtige CSU-Bezirksvorsitzende von Oberbayern wollte natürlich Söder nicht auf dem Posten sehen, den sie vielleicht selbst anstreben wird nach der Landtagswahl. So behindern sich die CSU-Spielmacher gegenseitig, und im Herbst könnte der Wähler sagen: Adios Amigos!

Foto: Horst Seehofer (r.) und Georg Schmid: Übergangskandidatin als Nachfolgerin

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