© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/13 / 26. April 2013

Lockerungsübungen
Geistiges Eigentum
Karl Heinzen

Mit den in limitierter Stückzahl verkauften Test-Exem-plaren seiner neuen Datenbrille „Glass“ stößt Google auf eine große Nachfrage, auf dem „Schwarzmarkt“ sollen angeblich Summen geboten werden, die den Verkaufspreis um ein Vielfaches übersteigen. Eine Weitergabe an Dritte will der Konzern jedoch mit allen Mitteln unterbinden. Google droht in den Nutzungsbedingungen sogar damit, das Gerät aus der Ferne zu deaktivieren, falls seinen Auflagen zuwidergehandelt würde.

Das Diktat, das ein Hersteller seinen Kunden auferlegt, mag besonders radikal sein, doch spiegelt es einen Trend in den Beziehungen zwischen Anbietern und Verbrauchern wider, der bereits in Kürze ganz zum Tragen kommen dürfte. Märkte sind keine neutralen Umschlagplätze; die Konditionen, die auf ihnen vereinbart werden, sind durch die Machtpositionen der Teilnehmer vorgezeichnet. Seit dem Anbruch des Massenkonsumzeitalters lag das Übergewicht deutlich auf der Seite der Käufer. Die Unternehmen waren in der Lage, weit mehr zu produzieren als der Markt abnehmen konnte, und mußten im Wettbewerb um die Kunden buhlen. Durch die wachsende technische Komplexität zahlreicher Produkte, die steigenden Softwareanteilen geschuldet ist, bietet sich den Herstellern nun die Chance, die Marktmacht der Verbraucher zu brechen, ohne den Weg in illegale Kartelle beschreiten zu müssen. Kunden erwerben immer weniger ein uneingeschränktes Verfügungsrecht über ein Gerät, sondern müssen akzeptieren, daß das, was seine Funktion erst ausmacht, geistiges Eigentum des Unternehmens bleibt und von diesem bloß leihweise zur Verfügung gestellt wird.

Sollte sich diese Auffassung etablieren, ist langfristig eine Revolutionierung der Märkte vorstellbar. Autohersteller etwa könnten den Gebrauchtwagenmarkt regulieren, indem sie auf ihr Eigentum an der integrierten Software pochen, und Buchverlage ihren Kunden auferlegen, daß diese zwar das bloße Material nach Gebrauch in die Altpapiertonne werfen dürfen, eine Weiterveräußerung im Antiquariat aber ohne Genehmigung und Erlösbeteiligung der Inhaber der Urheberrechte nicht möglich ist. Auf sich allein gestellt werden die Unternehmen diese Revolutionierung allerdings nicht betreiben können. Sie bedürfen dazu eines Gesetzgebers, der um die Schutzwürdigkeit geistigen Eigentums weiß.

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