© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/13 / 26. April 2013

CD: Gloryhammer
Suchtfaktor Kitsch
Thorsten Thaler

Was ist musikalischer Kitsch? Die Frage zu beantworten ist gar nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick scheinen mag, weil jeder doch weiß, was Kitsch ist. Eben darin aber besteht das Problem. Für jeden bedeutet Kitsch etwas anderes, im Auge des Betrachters liegt zudem, ob es sich um „schönen“ oder„häßlichen“ Kitsch handelt.

Nehmen wir die Metalband Gloryhammer und ihr Debütalbum „Tales From The Kingdom Of Five“. Gloryhammer ist das Nebenprojekt von Christopher Bowes, im Hauptjob Kopf der schottischen Piraten-Metaller Alestorm. Dem Keyboarder zur Seite stehen Gitarrist Paul Templing, Bassist James Cartwright, Schlagzeuger Ben Turk und Thomas Winkler am Mikrofon. Der 27jährige Schweizer Sänger ist seit 2009 Frontmann der Epic-Metaller Emerald.

Bereits vor Erscheinen der Platte Ende März tobte in den einschlägigen Musikforen im Internet eine Meinungsschlacht um die Frage nach dem Kitschfaktor. Schon am Namen der Band erkenne man, „daß man da gar nicht erst reinhören muß“, meinte ein Nutzer; das könne „echt nicht ernst gemeint sein“, ein anderer. Ein dritter war sich sicher, die Band nehme „die Klischees von Power-Metal-Bands auf die Schippe und sich selbst nicht allzu ernst“.

So spalten die hammerschwingenden Jungs seither die Gemüter der schwermetallischen Szenerie. Dazu trägt bei, daß Gloryhammer tatsächlich kein Klischee auslassen. In den zehn Titel von „Tales From The Kingdom Of Five“ geht es um „ein Reich in den schottischen Highlands, ein Reich der Geheimnisse, Wunder und epischen Schlachten einer fernen Vergangenheit, ein magisches und geheimnisumwobenes Reich“. Die Stücke erzählen die Sagen des Königreichs Fife und künden vom Kampf „des großen Helden Angus McFife gegen den bösen Zauberer Zargothrax, um das Volk von Dundee im Namen von Ruhm und Stahl zu befreien“. Auf seiner ruhmreichen Reise durch die vereisten Highlands begegnet er Drachen, Einhörnern, Trollen, Prinzessinnen.

Musikalisch siedelt das Fantasy-Spektakel irgendwo zwischen den frühen Rhapsody, Dragonforce, Freedom Call oder dem 2007 erschienenen Album „Tarot“ der spanischen Power-Metaller Dark Moor. Eingängige Melodien im Breitwandformat, mehrstimmiger hymnischer Chorgesang, Keyboardteppiche, pfeilschnelle Gitarren und eine treibende Doublebass. Selbstredend darf die obligatorische Ballade nicht fehlen. Bei „Silent Tears Of Frozen Princess“ quillt die Zuckerwatte dann auch so richtig aus den Boxen beziehungsweise Ohrstöpseln. Diese Mischung macht auf jeden Fall richtig viel Spaß – und der Suchtfaktor ist enorm hoch!

Deswegen ist die mittlere Vier-Punkte-Wertung („Normalfall“) in der April-Ausgabe der Zeitschrift Metal Hammer und Platz 26 (von 30) ein Witz! Es hätte mindestens sechs Punkte („Glücksfall“) oder gar die höchste Punktzahl sieben („Idealfall“) geben müssen. Aber das kommt eben davon, wenn man einen offenbar Hörgeschädigten die Besprechung schreiben läßt.

Nein, Metalheads, aufgehorcht: Kitsch hin oder her, hier liegt ein bärenstarkes Debütalbum vor. Anspieltip (kann bei Youtube aufgerufen werden): Angus McFife.

Gloryhammer Tales From The Kingdom Of Fife Napalm Records, 2013 www.napalmrecords.com

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