© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/13 / 26. April 2013

Zeitschriftenkritik: Zeitgeist
Geistiger Mehrwert
Werner Olles

Eigentlich trägt diese Zeitschrift ihren Namen zu Unrecht, denn auf der Welle des Zeitgeistes surft sie gerade nicht. Ganz im Gegenteil kommen hier Autoren zu Wort, die gewiß nicht im Verdacht stehen, ihr Mäntelchen nach dem Wind zu hängen und politische Korrektheit über die eigene Überzeugung zu stellen. Vor allem aber geht es darum, „die Welt mit anderen Augen (zu) sehen“, wie es im Untertitel von Zeitgeist heißt.

Bis zu viermal jährlich werden Kunst und Wissenschaft, politische Ökonomie und neue Wirtschaftsmodelle, parawissenschaftliche Phänomene und außergewöhnliche Therapieformen unter die Lupe genommen, objektiv untersucht und analysiert, um dann die jeweiligen Erkenntnisse und Ergebnisse publizistisch aufbereitet dem Leser in verständlicher Sprache zu präsentieren. Fernhalten müsse man sich dabei nur „von jenen, deren wesentliche Kompetenz in der Selbstdarstellung besteht“, wie Chefredakteur Thomas Röttcher in seinem Editorial der aktuellen Ausgabe (Nr. 31) schreibt, denn „geistiger Mehrwert ging eben noch nie von den Angepaßten aus“.

„Lüge und Wahrheit in der Wissenschaft“ lautet das Schwerpunktthema dieses Mal und gleich im ersten Beitrag geht es um eine sich im Dornröschenschlaf befindende Wissenschaft, die auf den Prinz wartet, der sie wachküßt. In Zeiten gestraffter Studiengänge sind die Chancen, für den Geist sich zu bilden, relativ gering. Ein krankes Bildungswesen und ein morbider Wissenschaftsapparat haben die grundlagenorientierte Forschung abgelöst, die sich im 19. und vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in ihrer Blüte befand. Von den bedeutenden Entdeckungen in Natur und Geisteswissenschaft aus jener Zeit profitieren wir heute immer noch, und Genies wie Einstein, Darwin, Hertz oder Heisenberg haben durch ihre Denk- und Forschungsleistungen die Wissenschaft entscheidend geprägt. Inzwischen ist jedoch der Blick für das Ganze verlorengegangen. Übertriebene Spezialisierung, Fachidiotentum, Herrschaftswissen und affirmative Wissenschaft sind die negativen Folgen dieses Paradigmenwechsels, der uns noch teuer zu stehen kommen wird.

1968 wurde der Geist dann gänzlich aus der Flasche gelassen, Wilhelm von Humboldt vom Sockel gestürzt. Doch der scheinbare „Aufbruch“ führte zum Abstieg. Bürokraten und linke Ideologen eroberten die Macht. In einem Jahrzehnte dauernden Prozeß wurden die deutschen Universitäten, die zu Humboldts, Kants, Schillers und Fichtes Zeiten als die besten der Welt galten, der Zerstörung preisgegeben. Richtete sich Schillers Antrittsrede einst „wider den Brotstudenten“, hat genau dieses Brotstudententum heute auf der ganzen Linie gesiegt. Die alte Universität, entstanden mit dem Anspruch, alles immer wieder in Frage zu stellen, mußte einem absurden System weichen, das Wissenschaftskritik nicht einmal mehr vom Hörensagen kennt und zudem ein akademisches Proletariat hervorbrachte.

Kontakt: Zeitgeist Print & Online, An der Saalmühle 34 c, 55218 Ingelheim. Das Einzelheft kostet 7,50 Euro, ein Jahresabo 30 Euro.

www.zeitgeist-online.de

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