© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/13 / 26. April 2013

Hoeneß ist nur ein Symptom
Wer SteuerFLucht bekämpfen will, der muß die Ursachen in Deutschland angehen statt Sündenböcke zu jagen
Ronald Gläser

Uli Hoeneß hat einen Kapitalgewinn aus bereits versteuertem Einkommen nicht noch einmal versteuert. Der Sturm der Entrüstung, der jetzt losgebrochen ist, sagt mehr über den geistigen Zustand der Deutschen aus als über Hoeneß. Noch sind nicht alle Einzelheiten des Falles bekannt. Und doch ist mehr durchgesickert, als eigentlich durchsickern sollte. Denn auch für einen reuigen Steuersünder gilt das Steuergeheimnis.

Ohne das Verhalten des FC-Bayern-Präsidenten zu rechtfertigen läßt sich feststellen, daß die Vorwürfe der medialen Einheitsfront gegen ihn völlig überzogen sind. Der Fehler liegt im System. Wer sich mit dem Phänomen Steuerflucht beschäftigt, sollte sich mit den wahren Ursachen befassen. Sie liegen auf der Hand: Zum einen ist es ganz normal, daß Bürger versuchen, die Zahlung von Steuern zu vermeiden. Wer das noch nie versucht hat, der lebt vermutlich von ihnen.

Es ist die natürlichste Sache der Welt, daß Bürger Steuern sparen wollen. Der Staat selbst kalkuliert es in seine Gesetze ein. Er verlangt bei Lebensmitteln nur die ermäßigte Umsatzsteuer, damit die Bürger ihre Grundbedürfnisse einfacher befriedigen können. Er gewährt Steuervorteile für Immobilienbesitzer, die nicht in ihrem eigenen Objekt wohnen, weil er die Schaffung von vermietetem Wohnraum unterstützen will. Er verzichtet auf die Kraftfahrzeugsteuer, wenn der Konsument ein neues, umweltfreundliches Auto anschafft.

Das alles führt zu absurden Situationen und immer neuen „Gerechtigkeitslücken“, die es aus Sicht der Politiker zu schließen gilt. Deswegen neue Gesetze, neue ministerielle Anweisungen und immer neue Gerichtsurteile. Das System wird dadurch immer komplizierter und unverständlicher. Der immer größer werdende Reformstau korrespondiert mit immer hysterischeren Kampagnen gegen echte oder vermeintliche Steuerhinterzieher. Zuletzt die belanglose Pseudo-Enthüllung der Offshore-Leaks-Dateien, nun die Schmutzkampagne gegen den „Steuerbetrüger“ Hoeneß.

Plötzlich ist auch nicht mehr die Rede von milliardenschweren Rettungsschirmen zugunsten fremder Länder, von Steuergeldverschwendung im Inland, von staatlicher Hehlerei mit geklauten Kontodaten, vom Weginflationieren des deutschen Volksvermögens durch den Euro oder von der Selbstbedienungsmentalität unserer Volksvertreter. Und auch nicht von den höchsten Steuereinnahmen der deutschen Geschichte, die der politischen Linken in Deutschland immer noch nicht hoch genug zu sein scheinen.

Stattdessen werden wir Zeugen, wie Uli Hoeneß zum Sündenbock für Steuerflucht gemacht wird. Ausgerechnet der Mann, der trotz seines Schweizer Bankkontos in seinem Leben mit Sicherheit mehr Geld beim Fiskus abgeliefert hat als die meisten Politiker oder Journalisten, die jetzt über ihn herfallen. Ausgerechnet Nordrhein-Westfalens Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) forderte am Sonntag abend bei Günther Jauch in der ARD: „An Gesetze muß man sich halten.“ Nun ja, er selbst nimmt das nicht so genau, denn seine rot-grünen Landeshaushalte für die Jahre 2010 und 2011 sind vom obersten Gericht Nordrhein-Westfalens gekippt worden, weil sie verfassungswidrig waren.

Das muß ein Politiker in gerade drei Amtsjahren erst einmal schaffen. Nicht, daß solche Urteile über Haushalte irgendeine Konsequenz nach sich zögen. Aber Uli Hoeneß, der seinen selbst erwirtschafteten Gewinn nicht gleich freiwillig beim Staat abliefert, der soll am besten einfahren.

Wer möchte, daß das Kapital aus Deutschland nicht abfließt, der muß zwei Dinge tun: das Steuersystem grundlegend reformieren und Deutschland als Standort wieder attraktiv machen.

Stichwort Steuerreform: Das deutsche Steuerrecht ist das komplizierteste der Welt. Niemand versteht alle Regeln. Selbst Durchschnittsverdiener sind kaum noch in der Lage, ihre Abrechnung selbst zu machen, verzweifeln an der Vielzahl von Regeln und Ausnahmen. Die Progression tut ihr übriges. Sie nimmt dem Durchschnittsverdiener inflationsbedingt einen immer größeren Teil seines Einkommens. Am Ende denkt jeder zu Recht oder zu Unrecht, er sei der Verlierer des Systems und sucht nach Wegen sein Schäfchen ins trockene zu bringen.

Stichwort attraktiver Standort: Deutschland ist kein Land, in das Anleger gerne Geld bringen. Deutsche Politiker befürworten die stille Enteignung von Bürgern fremder Länder – wie Zypern. Wie lange wird es noch dauern, bis auch hier die Bürger über Nacht enteignet werden? Sei es durch eine Währungsreform wie 1923, 1948 oder 2002. Sei es durch eine Konfiskation ihres Bankkontos. Gleichzeitig müssen Eigenheimbesitzer Zwangsanleihen und Firmeninhaber die Enteignung fürchten. Der Bundestag hat 2009 wegen des insolvenzbedrohten Immobilienfinanzierers Hypo Real Estate die Enteignung von Banken legalisiert. So etwas gräbt sich ein im Gedächtnis von Investoren.

Politiker schaffen Anreize für Investments, die wirtschaftlicher Schwachsinn sind (zum Beispiel Ökostrom, Riesterrente, Abwrackprämie). Und sie schüren mit ihrem Kampf gegen „Schwarzgeld“ und Bargeld die Angst, daß das Geld später nicht mehr frei verfügbar ist. Durch höhere Steuern auf Silbermünzen wird demnächst auch wieder eine Fluchtmöglichkeit ins Edelmetall genommen.

Das wichtigste aber ist Vertrauen. Wenn die Bürger Vertrauen in die Redlichkeit der Politiker haben, dann bringen sie ihr Geld nicht fort. Warum wohl bringen Schweizer ihr Geld nicht in andere Staaten? Auch die Schweiz ist kein steuerfreies El Dorado. Dennoch haben die Bürger trotz hoher Steuern das Gefühl, daß es in diesem kleinen Land sauberer zugeht als anderswo. Daran sollten sich unsere Politiker ein Beispiel nehmen – statt Anstiftung zum Datendiebstahl zu leisten.

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