© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/13 / 19. April 2013

Meldungen

Zeithistoriker als Legitimationbeschaffer

MÜNCHEN. Andreas Wirsching, Jahrgang 1959, ist seit 2011 Direktor des Instituts für Zeitgeschichte. 1995 in Regensburg habilitiert mit einer Arbeit über „politischen Extremismus“ in Frankreich und Deutschland zwischen 1918 und 1933, hat er sich seitdem auf die Weimarer Republik und die Geschichte des Bonner Staatsgebildes konzentriert. In jüngster Zeit nahm er sich des Modethemas EU an. Seine im Sinne Wolfgang Schäubles deutbare, für „mehr Integration“ werbende „Geschichte Europas in unserer Zeit“ (2012) wurde flugs von der Bundeszentrale für politische Bildung verbreitet. In dem offenkundig von „Rettungsmalaisen“ überschatteten Gespräch mit der Münchner Uni-Zeitschrift Einsichten (3/2012) klingt Wirsching etwas verdrießlicher. Ob eine Brüsseler Zentralisierung wünschenwert sei, „wage ich zu bezweifeln“. Das supranationale Prinzip sei „in gewisser Weise eine Kopfgeburt gewesen und doch zum Teil Realität geworden“. Er aber glaube nicht an den Bundesstaat Europa. Jeder Schritt dahin bringe das Problem der mangelnden demokratischen Legitimation erneut auf die Tagesordnung, erklärte der Lehrstuhl-inhaber für Neuere und Neueste Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Was nicht heißt, die Investitionen in Wirschings Karriere als Legitimationsbeschaffer wären perdu. Denn das Hauptdogma der politischen Klasse verficht er weiterhin: „Die Deutschen“ hätten Europa als „Schicksalsgemeinschaft“ schließlich zu ihrer „Staatsräson“ erhoben. Da sei eine „Pfad​abhängigkeit“ entstanden, die eine Umkehr verbiete. Die wirtschaftlichen Folgen wären „unabsehbar“ und der politische Preis zu hoch, so Wirsching. Auch sei es „gefährlich“ und „unhistorisch“, für „alle Zeit“ zu behaupten, Europa und der Islam paßten nicht zueinander. (ob)

 www.uni-muenchen.de

 

Joachim Günther und die Reserven der Moderne

MADISON. Unter den Zeitschriften der Bonner Republik galten die Neuen Deutschen Hefte (NDH) als ebenso kulturkonservatives wie anspruchsvolles Organ. Gegründet 1954 von Paul Fechter (1880–1958), einem Feuilletonpapst aus Weimarer Tagen, und dem Publizisten Joachim Günther (1905–1990), stellten die auf Wiedervereinigung fixierten Hefte, die Günther seit 1961 allein herausgab, just 1989 ihr Erscheinen ein. Günther, vor 1933 im „antidemokratisch-konservativen Milieu“ zuHause, dann kurz in der NSDAP, um von 1934 an in der „Inneren Emigration“ abzutauchen, hat stets die alberne Behauptung verhöhnt, „der Geist steht links“. Als Antipode des 68er-Zeitgeistes harrt er mitsamt seinem NDH-Netzwerk noch ideenhistorischer Erschließung. Einen zaghaften Ansatz dazu macht der Germanist Friedemann Spicker, wenn er Günther mit seinen „Reserven gegen die Moderne“ als „Schlüsselfigur in der Geschichte des Aphorismus im 20. Jahrhundert“ untersucht (Monatshefte für deutschsprachige Literatur und Kultur, 4/2012). Die NDH habe Günther zum „produktiven Zentrum“ für Aphoristiker ausgebaut, wobei sich die meisten Autoren zu ihrem Vorteil „zwischen Tradition und Erneuerung“ bewegten. Dank dieser Offenheit habe der den „religiösen Aphorismus“ favorisierende Günther früh auch auf metaphorisch-surrealistische Vertreter des Genres wie Franz Kafka, Franz Baermann-Steiner oder Stanislaw Jerzy Lec aufmerksam gemacht. (wm)

 www.monatshefte.org

 

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