© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/13 / 19. April 2013

Was hat Hitler wirklich gelesen?
„Mein Kampf“ wird gemeinfrei: Bayerische Landesregierung und Publizistik brüten über Gegenmaßnahmen
Robert Backhaus

Die Leute haben Sorgen. In zwei Jahren wird Hitlers halbbiographische Programmschrift „Mein Kampf“, die er 1924 während seiner Festungshaft in Landsberg schrieb, „gemeinfrei“, also allgemein verfügbar, und die Bayerische Landesregierung brütet nun darüber, ob man etwas dagegen unternehmen kann und was. Die Süddeutsche Zeitung versuchte vorige Woche auf fast einer ganzen Seite, dafür gute Ratschläge zu erteilen und darüber zu berichten, wie andere Länder mit dem „Problem“ umgehen.

Man erfährt, daß die meisten Länder in der ganzen Angelegenheit gar kein Problem sehen. München freilich möchte das Buch am liebsten weiterhin und ein für allemal verbieten, aber die Süddeutsche weist darauf hin, daß der Text doch längst im Internet vollständig und unzensiert abgerufen werden kann. Wäre es da nicht besser, diesem Treiben staatlicherseits eine „wissenschaftlich einwandfreie historisch-kritische Ausgabe entgegenzusetzen und sie unverzüglich auch den Onlinediensten zur Verfügung zu stellen“?

Der Autodidakt Hitler, so wird beispielsweise mitgeteilt, habe sich doch in seinem Buch seiner vielen Lektüren gerühmt und Dutzende von Autorennamen erwähnt. Was sei denn davon zu halten? Habe Hitler das alles tatsächlich gelesen, oder habe er nur damit angegeben? Es gebe gewiß eine Menge zu entlarven und richtigzustellen, und die Freigabe von „Mein Kampf“ könne dadurch einen positiven Beitrag zur „Aufarbeitung“ leisten.

Dem Leser solcher Ratschläge kommt das Lachen. Was für ein Triumph für den Schriftsteller Adolf Hitler! Eine historisch-kritische Gesamtausgabe! Mit Dokumentationen und Kommentaren, die den Umfang des ursprünglichen Werkes um ein Vielfaches überschreiten! So etwas ist bisher nur Johann Wolfgang von Goethe widerfahren. Und das alles nur, weil sich einige Archivhengste als die besten Vergangenheitsbewältiger aller Zeiten etablieren wollen. 

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