© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/13 / 12. April 2013

Grüße aus Madrid
Unerwarteter Lichtstrahl
Michael Ludwig

Ab und zu fällt durch die stockdunkle Wolkendecke, die sich über dem Krisenhimmel Spaniens zusammengezogen hat, ein unvermuteter Lichtstrahl. Die Tageszeitung ABC meldete dieser Tage, eine Studie der Universität Washington und der Bill &Melinda-Gates-Stiftung habe ergeben, daß die Spanier nach den Japanern und den Schweizern die höchste Lebenserwartung weltweit hätten – sie werden durchschnittlich 82,2 Jahre alt.

Als Gründe für das gute Abschneiden schreibt ABC sichtlich stolz: „Jenseits der genetischen Frage – was ist unser Geheimnis, das uns älter als viele andere werden läßt?“ und zitiert einen katalanischen Arzt namens Josep Maria Haro Abad, der auf die gesunde mediterrane Ernährung, ein funktionierendes Gesundheitssystem, geringe soziale Spannungen und ein ausgeprägtes Gemeinschaftsgefühl verweist.

Nun kann man darüber spekulieren, wie diese Argumentation beim krisengeschüttelten Leser ankommt, vermutlich als blanke Ironie. Mag man den Verantwortlichen der Studie auch zugute halten, daß sie 2010 ins Werk gesetzt und erst jetzt veröffentlicht wurde, so hat sich die Wirklichkeit auf der Iberischen Halbinsel in diesen vergangenen zwei Jahren doch entscheidend verändert. Abgesehen davon, daß es mit der gesunden Ernährung bei den Jugendlichen auch nicht mehr weit her ist – sie verdrücken, wie andernorts auch, zunehmend Fastfood und werden immer dicker –, hat das Gesundheitssystem unter den Sparmaßnahmen arg gelitten. Die sozialen Spannungen nehmen angesichts der um sich greifenden Verarmung zu.

Was in Spanien aber nach wie vor funktioniert, ist das Gemeinschaftsgefühl, das vor allem die Familien zusammenhält. Hier wird niemand zurückgelassen. Wenn in späteren Jahren einmal die Krise soziologisch und literarisch aufgearbeitet werden sollte, dann wird sich die spanische Familie als die tragende Säule einer ins Wanken geratenen Gesellschaft erweisen.

Ein weiteres lebensverlängerndes Glücksgefühl speist sich für den Spanier allerdings aus einer ganz anderen Quelle, nämlich aus der des Fußballs. In der Champions League und bei der Weltmeisterschaft kämpfen seine Mannschaften an vorderster Front. Sind sie erfolgreich, würde jede internationale Studie vor diesem Hintergrund regelrecht verblassen. Dem nicht genug. Auch Spaniens Handballer zeigen dem Rest der Welt, was eine Harke ist.

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