© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/13 / 12. April 2013

Kampftruppe in Auflösung
Landtagswahl: Einst galt die hessische Union als schlagkräftiger konservativer Landesverband, nun muß die Partei um ihre Macht fürchten
Ansgar Lange

Am 22. September dieses Jahres entscheiden die Wähler im Bund und in Hessen unter anderem darüber, ob eine CDU mit morschem Markenkern noch Mehrheiten mobilisieren kann. Während die thematisch ausgelaugte Union in Berlin zumindest noch auf Bundeskanzlerin Angela Merkel als Zugpferd setzen kann, fehlen in Hessen sowohl die Inhalte als auch populäre Personen.

Einige Indizien sprechen dafür, daß der blaß gebliebene Ministerpräsident Volker Bouffier, der das einst tiefrote Bundesland seit September 2010 regiert, vor einer schweren Herausforderung steht. Dies liegt zunächst an Bouffier selbst. Kritiker werfen ihm fehlende Führungsstärke oder Überheblichkeit („Arroganz der Macht“) vor. Aus dem Amt des Parteivize der Bundes-CDU hat er nichts gemacht. Seine Strahlkraft reicht – im Gegensatz zu seinem Amtsvorgänger Roland Koch – nicht über Hessen hinaus. Vielleicht verbrachte der 61 Jahre alte Politiker zuviel Zeit als eine Art Prinz Charles der hessischen CDU im Wartestand. Alfred Dregger, Manfred Kanther, Roland Koch: Sie waren oder sie galten zumindest als konservative Galionsfiguren und Haudegen. Doch wofür steht Volker Bouffier? „Daß es den Hessen gut geht, wie Ministerpräsident Volker Bouffier zu betonen nicht müde wird, stimmt, aber darf es nicht ein bißchen mehr sein?“ fragte jüngst die Frankfurter Allgemeine Zeitung.

Früher galt die Hessen-CDU als sturmerprobter Kampfverband in eigentlich feindlichem (rotem) Umfeld. Inzwischen wird auch hier die thematische Armut zum Programm gemacht. Ob Thesenpapiere, die sozialpolitische Korrekturen anmahnen und einen Weg in die vermeintliche Moderne der Großstadtpartei weisen wollen, Abhilfe schaffen, erscheint fraglich. Die Machtbasis bröckelt von unten weg. In Großstädten wie Frankfurt, Wiesbaden, Kassel, Darmstadt und Offenbach gibt es keine schwarzen Oberbürgermeister mehr. Kein Wunder, daß sich Panik und Ratlosigkeit breitmachen.

Die zahlreichen programmatischen Bocksprünge der Bundespartei (Energiewende, Wehrpflicht, Mindestlohn, Homo-Ehe), die nicht erklärt, sondern nur als alternativlos dargestellt wurden, dürften auf den Zustand der hessischen CDU ebenfalls abgefärbt haben. Hat man hier Wegweisendes vom relativ stummen Parteivize Bouffier gehört? Koch lieferte zumindest noch Populismus und erweckte den Eindruck, er sei konservativ.

Auch die Arbeitsteilung mit der jungen Bundesfamilienministerin Kristina Schröder, der manch Böswilliger die Anmutung eines „Kommunionkindes“ attestiert, funktioniert nicht. Eigentlich sollte die glücklos agierende Wiesbadener Bundestagsabgeordnete bei der Bundestagswahl im September als Spitzenkandidatin der CDU in Hessen ins Rennen gehen. Sie sollte urbane, weibliche Wählermilieus ansprechen, während sich Bouffier um die ältere und konservative Stammkundschaft vom Lande kümmern wollte. Ob es nun die unterschiedlichen Ansichten zur Homo-Ehe oder immer stärkere Zweifel Bouffiers waren, ob Frau Schröder die Richtige sei, ist letztlich einerlei. Jetzt darf stattdessen der 64 Jahre alte frühere Verteidigungs- und Arbeitsminister Franz Josef Jung ran. Zukunft sieht anders aus, und die dringend nötige Wählermobilisierung dürfte so nicht gelingen. Jung darf sich jedenfalls über einen erneuten Einzug in den Bundestag freuen. Kristina Schröder kann warten. Sie ist im September, wenn die Männerriege in der hessischen CDU so oder so ihre letzte Schlacht schlagen wird, erst 36 Jahre alt sein.

Fast doppelt so alt ist der Landtagsfraktionsvorsitzende Christean Wagner. Daß er als einer der Strippenzieher des konservativen „Berliner Kreises“ ein überzeugendes Kontrastprogramm zur wenig goutierten Merkel-CDU präsentiert hätte, muß ins Reich der Fabel verwiesen werden. Eventuell muß sich Hessen – historisch gesehen eine Art Testlabor der Bundesrepublik – auf einen demokratischen Sozialismus unter einem Ministerpräsidenten Thorsten Schäfer-Gümbel einstellen. Ob Angela Merkel alleine dies verhindern kann?

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