© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/13 / 12. April 2013

Spröder Kandidat,schrille Aktionen
Bundestagswahl: Vor dem Bundesparteitag in Augsburg hat Peer Steinbrück die SPD in eine machtpolitische Sackgasse manövriert
Christian Schreiber

Es ist ruhig geworden um Peer Steinbrück. Auf Ankündigungsplakaten zu Wahlkampfveranstaltungen wird zwar „Klartext“ angekündigt, aber viel Neues gab es in den vergangenen vier Wochen nicht von dem SPD-Kanzlerkandidaten zu hören. Leidgeprüfte Genossen sehen darin nicht unbedingt einen Nachteil.

Nachdem der Norddeutsche seit seiner Inthronisierung im vergangenen November zielsicher in jedes innenpolitische Fettnäpfchen getreten war, löste er mit seiner Kommentierung zum Ausgang der italienischen Parlamentswahlen auch noch ein außenpolitisches Murren aus. Insofern ist aus Sozi-Sicht jeder Tag, an dem Steinbrück nicht zu hören ist, ein guter Tag. Vor gut einer Woche hat er dann aber doch noch einmal aufhorchen lassen, und seine Äußerung hört sich bereits wie ein Abgesang auf seine Kandidatur an. „Ich stehe nur für eine rot-grüne Bundesregierung zur Verfügung“, sagte er auf einer „Klartext“-Veranstaltung in Berlin.

Schloß er zunächst ein rot-rot-grünes Bündnis unter Einbindung der Linkspartei seines Erzfeinds Oskar Lafontaine noch aus nachvollziehbaren Gründen aus, engte er sich bereits mit der Absage an eine große Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel zusätzlich ein. Nun zeigte er noch den „Gelben“ die rote Karte – und in der Partei schüttelt man darüber den Kopf. Denn die Umfragewerte sind fünf Monate vor der Wahl immer noch mies. Zwischen 24 und 27 Prozent geben die Demoskopen der SPD, das ist nur geringfügig mehr, als sie 2009 unter Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier erzielten. Selbst zusammen mit den Grünen, die derzeit bei rund 15 Prozent pendeln, würde es wohl nicht reichen, Merkel abzulösen. Denn die Linkspartei dürfte sicher in den Bundestag einziehen, die FDP hat ebenfalls noch alle Chancen. Scheinbar ziellos trudelt die SPD in einen Wahlkampf, bei dem noch nicht klar ist, welche Akzente sie setzen und wie sie ihre ohnehin launische Stammwählerschaft mobilisieren will, wenn sie fast jede denkbare Machtkonstellation von vornherein ausschließt.

Einige Sozialdemokraten hatten mit einem Minderheitsbündnis geliebäugelt, welches mit wechselnden Mehrheiten regieren könnte, wurden aber von Steinbrück ausgebremst, der sich gegen eine rot-grüne Regierung aussprach, die nicht die Mehrheit der Stimmen hinter sich vereint. Er habe immer wieder klargemacht, daß dies für ihn „nicht in Frage kommt“, sagte er Spiegel Online. Angesichts der internationalen und nationalen Herausforderungen wäre dies ein unkalkulierbares Risiko, sagte er und schloß sich der Meinung von Sigmar Gabriel an. Der Parteichef hatte zuvor den Berliner Landesvorsitzenden Jan Stöß bloßgestellt, der laut über eine rot-grüne Minderheitsregierung nachgedacht hatte. „Wenn SPD und Grüne bei der Bundestagswahl am 22. September mehr Stimmen bekämen als Union und FDP, sollten sie „diese Gestaltungsmehrheit nutzen“, sagte Stöß dem Spiegel. „Dann sollte sich Peer Steinbrück zum Kanzler wählen lassen – notfalls auch im dritten Wahlgang.“ Damit hat der Berliner die SPD wieder direkt in die Linken-Falle tappen lassen. Bürgerlichen Wählern, die die Sozialdemokraten dringend für den Machtwechsel brauchen, ist die Vorstellung eines Lafontaine-Comebacks ein Greuel, die Vorstellung eine SPD-geführte Regierung könnte von den Launen des Saarländers abhängig sein, unerträglich.

Nun hofft die Partei auf einen Ruck am kommenden Sonntag. Dann versammelt sich die leidgeprüfte Genossen-Schar in Augsburg, um ihr „Regierungsprogramm“ zu beschließen und gleichzeitig den bayerischen Landtagswahlkampf einzuläuten, bei dem der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude auf ziemlich verlorenem Posten gegen Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) steht.

Das Wahlprogramm der Bundes-SPD, an dem nach Parteiangaben auch „unabhängige Bürgerinnen und Bürger“ mitgeschrieben haben, belegt einen deutlichen Linksruck. Fast scheint es so, als wolle Steinbrück das letzte Gefecht mit Ex-Parteichef Lafontaine suchen. Die SPD werde mit fünf Schwerpunkten in den Wahlkampf ziehen, kündigte Steinbrück an. „Die Bändigung des Finanzkapitalismus, Aufstieg durch Bildung, ein gerechtes Steuersystem, soziale Vorsorge sowie das Thema Wohnen. Diese Wahl wird auf gesellschaftspolitischen Feldern entschieden“, sagte Steinbrück der Welt. Besser hätten es die Linken auch nicht formulieren können. Mit derlei Nischen-Politik will die SPD Nichtwähler zurückgewinnen und im Revier der Linkspartei wildern. Den Kampf um die Mitte hat sie offenbar aufgegeben. So setzt der spröde Steinbrück auf schrille Aktionen, will die Regenbogen-Fahne der Homosexuellen-Bewegung vor der Parteizentrale hissen und sucht so die Abgrenzung zur Union.

Der Parteivorsitzende stapelt dagegen schon einmal tief. 30 Prozent hat Sigmar Gabriel als Ziel ausgegeben. Dafür will er Menschen ansprechen, „die die Hoffnung schon aufgegeben haben, daß Wählengehen sich lohnt oder daß Politik überhaupt etwas ändern will“. Mit Hilfe von starken Grünen, schwachen Linken und einer außerparlamentarischen FDP soll das Rechen-Wunder gelingen. „Vielleicht reichen 45 Prozent Rot-Grün ja doch“, sagt Gabriel. Klartext hört sich anders an.

Foto: SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück: Die Partei auf Rot-Grün eingeschworen

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