© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/13 / 12. April 2013

Lothar und der Lauti
Dresden: Prozeß gegen Jugendpfarrer beginnt mit wüsten Beschimpfungen
Hinrich Rohbohm

Braunes Oberhemd, rote Socken, pinkfarbene Tragetasche, dazu die obligatorischen Sandalen. So betritt Lothar König den Saal 2.133 des Landgerichts Dresden. Hierhin hatte das Dresdner Amtsgericht den Prozeß gegen den Jugendpfarrer von Jena aufgrund des starken öffentlichen Interesses verlegt.

40 Medienvertreter sind erschienen. Knapp 80 weitere Zuhörer haben einen der begehrten Sitzplätze erhalten, während auf dem Gerichtsflur weitere Interessierte Schlange stehen.

Der 59 Jahre alte Angeklagte scheint die Aufmerksamkeit um sich zu genießen. Keine angespannte Miene. König scherzt mit den Journalisten, von denen ihn nicht wenige mit „Lothar“ anreden.

Die Staatsanwaltschaft legt dem Theologen schweren aufwieglerischen Landfriedensbruch, Nötigung, versuchte Strafvereitelung sowie Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zur Last. Er soll bei einer Demonstration gegen Rechtsextremisten am 19. Februar 2011 in Dresden zu Gewalt gegen Polizisten aufgerufen haben. „Deckt die Bullen mit Steinen ein“, soll er von seinem VW-Bus per Megaphon in die Menge eines gewaltbereiten und teilweise vermummten linksextremistischen Mobs hineingerufen haben.

Daraufhin seien Flaschen und Pflastersteine auf Polizisten und Einsatzfahrzeuge geschleudert worden. Zahlreiche Beamte waren bei den linksextremistischen Krawallen verletzt worden. Mülltonnen brannten, Augenzeugen berichteten von bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Laut Anklage soll der Theologe Attacken gegen die Polizei über seinen „Lauti“, wie Königs Bus von Linksradikalen genannt wird, koordiniert haben. „Kommt mal, kommt, aufschließen“, habe er die Menge mehrfach aufgefordert. Kommandos wie „Eins, zwei, drei, der Lauti-Wagen braucht Schutz“, seien ebenso gefallen wie Informationen an die Gegendemonstranten über Bewegungen und Standorte von polizeilichen Einsatzkräften.

Darüber hinaus soll der Reformkommunist und ehemalige Grüne, der seit 2004 dem Stadtrat von Jena angehört und in der Wendezeit die Montagsdemonstrationen mitorganisierte, versucht haben, ein Polizeifahrzeug von der Straße zu drängen. Auch wird ihm vorgeworfen, verdächtige Gewalttäter in seinem Bus geschützt zu haben.

Lothar König und seine beiden Anwälte Johannes Eisenberg und Lea Voigt widersprechen. Der Satz „Deckt die Bullen mit Steinen ein“ sei nicht von ihm gefallen, entspreche auch nicht seinem Sprachjargon, erklärte der Theologe auf Nachfragen des Vorsitzenden Richters Ulrich Stein. Daß es sich bei den Gegendemonstranten zum Trauermarsch der Rechtsextremisten um gewaltbereite Autonome gehandelt haben soll, habe er „anders wahrgenommen“. „Das waren engagierte und aufgeweckte Leute von der IG Metall, den Grünen, der SPD und der PDS“, erklärt der Angeklagte in einer persönlichen Stellungnahme.

Die Verteidigung will die Verkündung der Anklageschrift verhindern, beantragt deren Nichtverlesung. Ohne Erfolg. Das Gericht weist den Antrag zurück. Wüste Beschimpfungen Eisenbergs in Richtung Staatsanwältin folgen. „Faulheit“ wirft er ihr vor. Zahlreiche Anklagepunkte seien „böswillig“ sowie „erstunken und erlogen“. Der Jurist spricht von sächsischer Gesinnungsjustiz, die Anklage habe in seinem Mandanten schon vor Ermittlungsbeginn „den Teufel auf Erden“ gesehen.

Beifallsbekundungen aus dem fast ausschließlich aus Linken bestehenden Publikum, unter dem sich auch hochrangige Politiker von SPD, Grünen und Linkspartei befinden. Etwa Bodo Ramelow, Linke-Fraktionsvorsitzender im thüringischen Landtag. In einer Verhandlungspause tauscht der sich intensiv mit König und Eisenberg aus. Auch der Oberbürgermeister von Jena, Albrecht Schröter (SPD), ist zugegen.

Der 58jährige, der wie einst die Kanzlerin als Mitbegründer zum Demokratischen Aufbruch (DA) gehörte, hatte sich bereits öffentlich mit Lothar König solidarisiert. Diverse Landtagsabgeordnete der Grünen sowie der Linkspartei wohnen dem Prozeß ebenfalls bei. Unter anderem Katharina König. Die Tochter des Angeklagten sitzt für die Linkspartei im Landtag von Thüringen. Rechtsanwalt Eisenberg beantragt, sie als Berufshelferin zuzulassen. Die Politikerin solle für ihn Protokoll führen.

Richter Ulrich Stein, der sich von dem einseitig besetzten Publikum nicht verunsichern läßt, lehnt auch diesen Antrag der Verteidigung ab. „Sie bekommen noch Ihre Bühne“, vertröstet er gelassen den Anwalt. Der Prozeß wird voraussichtlich bis Ende Juni andauern.

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