© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/13 / 05. April 2013

Keinesfalls ein „böses Thier“
Nietzsche und die Peitsche: Lauter Mißverständnisse
Werner Olles

Fast jedem dürfte das berühmteste und gleichzeitig berüchtigste Nietzsche-Zitat geläufig sein: „Wenn Du zum Weibe gehst, vergiß die Peitsche nicht!“ Doch leider kann man sich beim Zitieren aus dem ewigen Hausschatz geflügelter Worte auf den Volksmund nicht immer verlassen, denn in der Tat heißt es im ersten Teil von Nietzsches „Also sprach Zarathustra“ im Kapitel „Von alten und jungen Weiblein“: „Du gehst zu Frauen? Vergiß die Peitsche nicht!“

Der Philosoph hat die erste Hälfte des authentischen Zitats in eine Frage gekleidet, um dann den Peitschen-Rat anzuschließen. Wie selbstverständlich wird das Zitat zudem Zarathustra, wenn nicht gleich Nietzsche selber angedichtet, der seitdem in frauenbewegten Studentinnenkreisen als das „böse Thier“ galt, wie er seiner seiner Schwester weniger betrübt als selbstironisch schrieb.

Der Freiburger Germanist Ludger Lütkehaus, ein Nietzsche- und Schopenhauer-Kenner von Rang, hat sich der Frage angenommen, wie die „kleine Wahrheit“ des „alten Weibleins“ rezeptionsgeschichtlich zu bewerten ist. Zwar sei „Ratschlag“ zu schwach und „Imperativ“ zu stark, durchgesetzt hat sich indes der „Ratschlag“. Doch hat auch die moderatere Form das Image des Philosophen als Frauenfeind, ja Frauenhasser geprägt, obwohl es nicht an Hinweisen fehlte, daß Nietzsche in seinem persönlichen Umgang alles andere als ein peitschenschwingender Sado-Macho war, sondern ein außerordentlich höflicher, geradezu galanter Verehrer des weiblichen Geschlechts.

Aufschlußreich dürfte auch eine Fotoszene sein, die inzwischen genauso berühmt ist wie der Peitschen-Rat. Im Joch eines Leiterwägelchens sehen wir Nietzsches Freund, den Arzt und Philosophen Paul Rée, hinter ihm, die Deichsel umfassend Nietzsche und auf dem Wägelchen hockend, locker die Zügel haltend, die russische Generalstochter Lou von Salome, mit der beide eine unglückliche Liebesgeschichte verband, als Domina eine mit einer Fliederdolde geschmücktes Peitschlein schwingen. Und um die Ironie vollkommen zu machen, ringeln sich auch auf den Zeichnungen, die das Bändchen zieren, die Peitschen eher eindeutig in den Händen der Damen, die das Instrument offensichtlich gekonnt zu gebrauchen zu wissen.

Ludger Lütkehaus: Nietzsche, die Peitsche und das Weib. Basilisken-Presse, Rangsdorf 2012, broschiert, 42 Seiten, 19,80 Euro

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