© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/13 / 05. April 2013

Ich und die Furcht
Vor 425 Jahren wurde der englische Staatsdenker Thomas Hobbes geboren
Fabian Schmidt-Ahmad

Vor 425 Jahren, am 5. April 1588, kam im englischen Malmesbury Thomas Hobbes zur Welt. Wie die Legende berichtet, soll seine Mutter, erschreckt von dem Gerücht, die spanische Armada habe die Küste erreicht, verfrüht niedergekommen sein. „Meine Mutter gebar Zwillinge, mich und die Furcht“, heißt es bei Hobbes. Und tatsächlich sollte für den Begründer des modernen Staatsdenkens die Furcht das tragende Element seines philosophischen Denkens darstellen.

„More geometrico“ – nach Art der Geometrie wollte Hobbes seine Staatstheorie aufbauen. Sachlich veranschaulichend statt ideologisierend, ganz wie Euklid seine Beweise deduziert, so hoffte Hobbes mäßigend auf sein Umfeld einzuwirken. Umsonst, 1642 brach der englische Bürgerkrieg aus und nicht nur Anhänger von König und Parlament lieferten sich blutige Kämpfe, sondern alles, was an überhitzten, religiösen Strömungen in Großbritannien aufkam.

Da lebte der Philosoph bereits längst in seinem Pariser Exil. „Als einer der ersten“, wie er später unumwunden zugeben wird. Denn das ist der erste Grundsatz seiner politischen Philosophie: Der Bürger ist dem Souverän zum Gehorsam verpflichtet, solange dieser für dessen leibliche Unversehrtheit sorgt. Kann er für diese nicht mehr garantieren, so endet für Hobbes jede Bürgerpflicht, und jedem ist es erlaubt, alle Mittel zu ergreifen, die er für seine persönliche Sicherheit als erforderlich betrachtet.

In Paris wird Hobbes nun sein Hauptwerk ausarbeiten, welches – entgegen seiner Intention – alles andere als beruhigend auf die politische Ideengeschichte wirkte: der „Leviathan“. Viel wurde gerätselt über dessen Namen, der zusammen mit dem Frontispiz nicht nur die aufgewühlten Gemüter seiner Zeitgenossen provoziert hat. Der Schlüssel ist jedoch einfach. Anders als alle Bürgerkriegsparteien, die ihre Legitimation von Grundsätzen ableiteten, argumentiert Hobbes fundamentaler.

Darf der Bürger vom Souverän Gerechtigkeit verlangen, auch wenn er im Recht ist? So fragt Hobbes. In der Bibel wird er fündig, als der geschundene Hiob genau das Gott vorwirft. Doch statt einer Rechtfertigung zeigt Gott Hiob das Bild eines furchteinflößenden Ungeheuers, den Behemoth. „Er ist der Anfang der Wege Gottes; der ihn gemacht hat, der gab ihm sein Schwert“ (Hiob 40,19). Dieses Ungeheuer identifiziert Hobbes mit seiner wohl berühmtesten Denkfigur, dem Krieg aller gegen alle.

Hier, in diesem Urzustand des Menschen vor der Vergesellschaftung, ist das Leben „einsam, armselig, ekelhaft, tierisch und kurz“. Aus diesem elenden Zustand gibt es für Hobbes nur einen Ausweg. „Meinst du, daß er einen Bund mit dir machen werde, daß du ihn immer zum Knecht habest?“ Mit diesen Worten zeigt Gott Hiob das Bild eines anderen Ungeheuers, eben den Leviathan. Und fügt drohend hinzu: „Wenn du deine Hand an ihn legst, so gedenke, daß es ein Streit ist, den du nicht ausführen wirst.“

Damit ist der zweite Grundsatz von Hobbes politischer Philosophie beschrieben: So wie die einzelnen als auserwähltes Volk mit Gott einen Bund schließen, ohne daß sie Ansprüche gegenüber Gott besäßen, so haben sich die Bürger als Staatsvolk dem Souverän zu unterwerfen, um den Kriegszustand zu beenden. Der Staat ist für Hobbes daher keine Institution, an die man sich klagend wendet, um seine Rechte einzufordern und die man kritisieren darf, wenn diese Rechte nicht umgesetzt werden.

Leicht ist zu erkennen, daß zwischen diesen beiden Grundsätzen ein Widerspruch herrscht. Entweder man betont die individuelle Vernunft des einzelnen, der für sich entscheidet, was für ihn gut ist. Dann ist es nicht mehr weit bis zur Staatsvorstellung des Liberalismus. Oder aber man betont das Vorrecht des Staates, zu entscheiden, was für den einzelnen gut ist, bis hin zur Frage, was vernunftmäßig wahr oder falsch sein soll. Dann ist es nicht mehr weit bis zur Staatsvorstellung des Totalitarismus.

Für beides finden sich Belege bei Hobbes. So ist die wohl berühmteste Kritik des Leviathans durch Carl Schmitt insgeheim auch ein Vorwurf des autoritären an den liberalen Hobbes. Einen durch Vernunfteinsicht geschlossenen Gesellschaftsvertrag – Schmitt sieht hierin keine dauerhafte soziale Grundlage; damit weiß er den Pessimisten Hobbes auf seiner Seite, hatte dieser den Leviathan doch darum als einen „sterblichen Gott“ bezeichnet. Schmitts Lösung ist der Feind als soziale Funktion.

Wer hat nun recht, der liberal oder der autoritär gelesene Hobbes? Was unsere heutige Bundesrepublik betrifft, zweifelsohne Schmitt. Ihr „Kampf gegen Rechts“, in dem es gilt, einen absoluten Feind sinnfällig zu machen und zu vernichten, nimmt sich aus, als wolle sie Schmitts Gedanken nachträglich zu ihrem einzigen Grundsatz erklären. Was die Deutschen betrifft, vielleicht. Denn irgendwann wird eine genügend große Anzahl von ihnen bemerken, daß dieser Staat nicht ihr Wohlergehen, sondern ihr Verschwinden organisiert.

Dann aber muß sich der Bürger gerade in heutiger Zeit entscheiden. Entweder er folgt der herrschenden Ideologie, oder er unternimmt alles, um sich und seine Angehörigen zu schützen. Konkret gesprochen, was ist ihm wichtiger: der Kampf gegen deutschen Rassismus als ideologischer Auftrag; oder aber, sich und die Seinen davor zu bewahren, ganz real und ohne Zweifel aus rassistischen Gründen verdrängt oder gar erschlagen zu werden.

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