© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/13 / 05. April 2013

Lockerungsübungen
Appell an den Heimatgedanken
Karl Heinzen

Falls die CSU die nächste bayerische Landtagswahl gewinnt, wird die Regierung des Freistaates über ein neues Ressort verfügen. Ein sogenanntes „Heimatministerium“ soll, so der Parteivorsitzende Horst Seehofer, dem Wunsch der Bürger nach mehr Dezentralisierung Rechnung tragen.

Die Kritik, hier würden basisdemokratische Lippenbekenntnisse doch nur dem notorischen bayerischen Provinzialismus Vorschub leisten, verkennt, daß die Ankündigung aus einem klugen Kalkül resultiert, das gleich drei wichtige Gesichtspunkte berücksichtigt.

Zum einen hat die CSU berechtigterweise die Hoffnung nicht aufgegeben, die Freien Wähler aus der Landespolitik wieder verdrängen zu können. Daher ist es legitim, daß sie den Versuch unternimmt, der Konkurrenz ihren Anspruch streitig zu machen, mehr als alle anderen für Bürgernähe zu stehen.

Zum anderen läßt sich durch den Appell an den Heimatgedanken auch der verbreitete antieuropäische Affekt instrumentalisieren. Mit amüsiertem Kopfschütteln hat Seehofer herausgestellt, daß man sich im fernen Brüssel um Duschköpfe, Glühbirnen und Trinkwasser kümmert. Nun sollen nach seinen Vorstellungen also die Kommunen oder am besten die Bürger selbst diese Standardisierungsaufgaben in die Hand nehmen.

Vor allem aber verbirgt sich hinter dem Bekenntnis zur weitgehenden Selbstverwaltung der Provinz die Erkenntnis, daß der Staat vor einem heiklen Dilemma steht. Eigentlich nehmen, wie Seehofer zu Recht feststellt, die öffentlichen Aufgaben immer mehr zu, nicht zuletzt wegen der Überalterung unserer Gesellschaft. Der Staat hat jedoch den Zenit seiner Leistungsfähigkeit längst überschritten, und die Politik steht heute vor allem vor der Frage, wie sie den Bürgern verständlich machen kann, daß sie ihre Ansprüche zu senken haben. Dezentralisierung ist hierauf eine Antwort, da sie die Menschen die Verantwortlichen für das Staatsversagen nicht mehr in fernen Hauptstädten, sondern vor Ort suchen ließe. Die Ansprüche des ländlichen Raums, durch Subventionen den Mangel eigener Ressourcen auszugleichen, blieben lange unwidersprochen. Durch eine moderne Interpretation des Heimatgedankens könnte der überfällige Bewußtseinswandel angestoßen werden. Auch die Provinz würde dann endlich lernen, daß man nur die Mittel ausgeben kann, die man selber erwirtschaftet.

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