© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/13 / 05. April 2013

Einzig dem Augenblick verhaftet
Dresden: Christian Thielemann bringt einen Brahms-Zyklus zum Abschluß
Sebastian Hennig

Schöne Sommertage kommen mir in den Sinn und willkürlich manches, mit dem ich dort spazieren ging, so die D-dur-Sinfonie, Violinkonzert ...“, schreibt Johannes Brahms im Rückblick auf die Sommeraufenthalte von1877 bis 1879, die er in Pörtschach am Wörthersee verbrachte. „... der Wörther See ist ein jungfräulicher Boden, da fliegen die Melodien, daß man sich hüten muß, keine zu treten.“ Diese Sangeskunst und Melodienseligkeit der 2. Sinfonie op. 73 entfesselte Christian Thielemann im zweiten Konzert seines Dresdner Brahms-Zyklus, und die Streicher der Staatskapelle entfalteten ihren ganzen Schmelz.

Bereits wenige Wochen nach der umjubelten Uraufführung in Wien wurde die Sinfonie in Dresden gegeben. Jenes Konzertprogramm im März 1878 schloß mit Walkürenritt, Wotans Abschied und dem Feuerzauber aus „Die Walküre“ von Richard Wagner. Der damalige Dresdner Hofkapellmeister, Franz Wüllner, war ein guter Freund von Brahms, und lud diesen bald auch als Solisten seines zweiten Klavierkonzerts an die Elbe.

Zum zweiten Konzert des neuen Brahms-Zyklus der Dresdner Staatskapelle im Februar dieses Jahres saß der Italiener Maurizio Pollini (71) am Klavier. Als Preisträger des Warschauer Chopin-Wettbewerbs 1960 begann seine Laufbahn. Sein Debüt mit den Dresdnern gab er 1976. Als junger Mann gastierte er noch mit Karl Böhm, der seinerseits bereits in den dreißiger Jahren die Dresdner Staatskapelle leitete. Nun bewies er mit Christian Thielemann (54) abermals seine souveräne Gestaltungskraft.

Vor zwei Jahren begann die Zusammenarbeit am gleichen Ort mit dem 1. Klavierkonzert von Brahms, das in dieser Einspielung inzwischen als Platte vorliegt. Der übrige Brahms-Zyklus soll folgen. Wenn Thielemann am Pult steht, gilt einzig der unmittelbare Augenblick des musikalischen Geschehens. Das Publikum hört nicht, wie Musik wiedergegeben wird, sondern erlebt einmal mehr die Wiederauferstehung eines Tonkunstwerkes in der jähen Pracht seiner ursprünglichen Entstehungsgewalt. Die solistische Fertigkeit der Orchestermitglieder der Staatskapelle trägt wesentlich zu diesem Erlebnis bei.

Zu Beginn des Abends erklang die kurze „Lustspiel-Ouvertüre“ op. 38 von Ferruccio Busoni. Ein anmutiges und glanzvolles Stück musikalischer Anverwandlung der großen Meister im Geiste etwa von Brahms’ „Haydn-Variationen“.

Mit dem eingangs erwähnten Violinkonzert wird sich der Dresdner BrahmsZyklus an diesem Wochenende runden. Solistin wird dann Lisa Batiashvili sein, die „Capell-Virtuosin“ dieser Saison. Es werden diesmal nur Werke von Brahms erklingen, des weiteren die „Akademische Festouvertüre“ und die 4. Sinfonie. Damit hätten Christian Thielemann und die Dresdner Staatskapelle in einer Konzertsaison das gesamte sinfonische Werk von Johannes Brahms zur Aufführung gebracht. Wer nicht dabeisein kann, der mag dem audiophonen Nachhall lauschen, den die CD uns überliefert.

Brahms-Zyklus III, Sinfoniekonzerte der Staatskapelle Dresden am 7., 8. und 9. April 2013 in der Semperoper, Theaterplatz 2. Telefon: 03 51 / 49 11 705

www.staatskapelle-dresden.de

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