© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/13 / 05. April 2013

Abschied auf Raten
Unternehmen: Der US-Konzern Dell verläßt die Börse / Computer bringen keine großen Gewinnmargen mehr
Markus Brandstetter

Die Umsätze sinken, der Börsenkurs von Dell ist im Keller, die Prognose für das im Februar begonnene Geschäftsjahr 2014 entfällt. Dabei war Firmengründer Michael Dell einmal das Wunderkind der Computerbranche. Seinen ersten Rechner haben ihm seine Eltern geschenkt, da war der 1965 in Houston/Texas geborene Arztsohn sieben Jahre alt. Mit 15 zerlegte Dell seinen Apple II, um zu sehen, wie der funktionierte. Kurz vor dem Abitur verdiente er mit Computerteilen, die er aus der Garage seiner Eltern mit der Post verschickte, mehr als die Lehrer an seiner Schule. Noch als Student fing er an, aus seinem Wohnheim der Universität Austin IBM-Rechner zu verkaufen.

Das war 1983, zu einer Zeit, als die meisten von einem „Personal Computer“ oder PC noch nicht einmal gehört, geschweige denn einen gesehen hatten. Rechner waren damals für viele Monster mit blinkenden Lichtern und rotierenden Magnetbändern, groß wie eine Garage, schwer wie ein Auto und für Normalverbraucher so gut wie unbedienbar. Der Privat-PC änderte all das, und einer der Pioniere dieser Entwicklung war Michael Dell. 1984, ohne Büro oder Niederlassung, gründete er endlich seine erste richtige Firma, um an den Ausschreibungen für Computerausrüstung seines Heimatstaates Texas mitbieten zu können. In den ersten Büroräumen saßen, so erzählt es Dell gerne selber, „drei Typen mit Schraubenziehern in der Hand, die an Tapezierertischen Computer zusammenschraubten. Unser Stammkapital betrug 1.000 Dollar“.

Der Rest ist Geschichte. 1992, da war Michael Dell 27, wurde er der jüngste Firmenchef einer US-Firma, der jemals in die Liste der 500 größten und wichtigsten amerikanischen Unternehmen, die „Forbes 500“, aufgenommen wurde. Keine zehn Jahre später war Dell der größte PC-Hersteller der Welt. Es gab Jahre zwischen 2001 und 2005, da kamen 15 Prozent der weltweit verkauften PCs von Dell. So etwas hatte es nie zuvor gegeben. Sein Gründer wurde in einem Atemzug mit Leuten wie Henry Ford, Steve Jobs und Bill Gates genannt.

Dells Erfolg war hart erarbeitet und hoch verdient, denn er hatte, im Gegensatz zu Rivalen wie IBM, Fujitsu-Siemens oder Hewlett Packard (HP), festgestellt, daß das Geld bei Lagerhaltung und Logistik verdient wird – und nicht in der Produktion. Man muß sich das so vorstellen: PCs sind ein bißchen wie standardisierte Mittelklasse-Autos: Massenprodukte, deren Leistung, Ausstattung und Preis durch Markt, Wettbewerb und ständigen Technologiewechsel bestimmt werden.

So wie die Motoren dieser Autos ziemlich vergleichbar sind, so ist es auch mit den Prozessoren und den Speichermedien der PCs: Alles ist Standard, die Preise sind für alle Hersteller praktisch identisch. Das Geld damit wird also nicht, wie viele dachten, im Inneren des PC-Gehäuses verdient, sondern durch Marketing und eine perfekte Logistik. Vor zehn Jahren verfügte Dell über das beste Geschäftsmodell in der ganzen Industrie. So konnten auch die europäischen Kunden ihre PCs am Telefon oder im Internet aus Standardkomponenten selbst zusammenstellen, worauf sie bei Dell im kostengünstigen Irland binnen Tagen zusammengeschraubt und versandt wurden.

Das hätte vermutlich noch einige Zeit so weitergehen können, wären da nicht die Chinesen gewesen, die, genau wie bei den Solarmodulen, zur selben Zeit begannen, mit enormer und staatlich geförderter Aggressivität in diesen Markt vorzudringen. Nun kann mit den internen Kosten der Chinesen und ihren durch Staatsbanken ermöglichten Minizinsen keiner mithalten, weshalb es ihnen leichtfiel, auch hier die uralte Strategie rascher Marktdurchdringung zu fahren: Halbwegs gute Produkte zu Tiefstpreisen in Massen in den Markt drücken und das so lange tun, bis die ersten Wettbewerber aufgeben. Genau das hat der chinesische PC-Hersteller Lenovo getan: 2005 wurde die PC-Sparte von IBM übernommen, 2011 der Aldi-Lieferant Medion. Der japanische Konzern NEC brachte im selben Jahr seine PC-Sparte in ein Gemeinschaftsunternehmen mit Lenovo ein. Die Auswirkungen waren vorhersehbar. Dell ist nicht nur auf Platz drei unter den großen PC-Produzenten abgerutscht, das Unternehmen verdient auch immer weniger Geld. Im Jahr 2012 hat Dell weltweit aus enormen 63 Milliarden Dollar Umsatz einen mageren Vorsteuergewinn von 3,49 Milliarden Dollar herausgeholt. Der Wettbewerber Apple, der im selben Zeitraum 157 Milliarden Dollar Umsatz vermeldete, konnte einen Vorsteuergewinn von 42 Milliarden Dollar ausweisen.

Nun will Michael Dell das Unternehmen, das er einst gegründet und an die Börse gebracht hat, wieder von der Börse nehmen und „privatisieren“. Dazu hat er sich einen Finanzinvestor gesucht, mit dem zusammen er knapp 25 Milliarden Dollar stemmen will, um „seine“ Firma den Aktionären abzukaufen. Ob das strategisch ein sinnvolles Unterfangen ist, kann heute kein Mensch sagen – für die Aktionäre, die zukünftig wohl wenig Gutes zu erwarten haben, ist das jedoch ein grundsätzlich vernünftiges Angebot, das Chancen hätte, akzeptiert zu werden, gäbe es da nicht noch zwei weitere Angebote. Da gibt es einmal den 77jährigen Investor Carl Icahn, den gefürchteten amerikanischen Übernahmepiraten (Corporate Raiders), der den Dell-Aktionären 15 Dollar je Aktie anbietet. Und dann ist da noch die Blackstone-Gruppe, New Yorker Finanzinvestoren, die ihre Finger überall drin haben, die in etwa anbieten, was auch Icahn zahlen will.

Aber ganz egal, wie die sich abzeichnende Bieterschlacht auch ausgeht: Aus heutiger Sicht ist es wohl das Beste, was den Aktionären passieren kann. Denn die Zukunft für PC-Hersteller sieht nicht gut aus. Die Profite sinken und sinken – und irgendwann werden PCs genau wie T-Shirts, Laufschuhe und billiges Plastikspielzeug nur noch in China oder anderen Billiglohnländern hergestellt werden.

Foto: Dells Executive Briefing Center in Round Rock/Texas: Die Zukunft für PC-Hersteller sieht düster aus

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