© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/13 / 05. April 2013

Grüße aus San Francisco
Augen zu und durch
Elliot Neaman

Am 11. März erschütterte ein Erdbeben der Stärke 4,7 die kalifornische Kleinstadt Anza – ein Ereignis, das kaum der Rede wert scheint, denn schließlich gehören Erdstöße in dem US-Bundesstaat zum Alltag wie anderswo Stürme oder Überschwemmungen. Freilich ist es nur eine Frage der Zeit, bis das aus wissenschaftlicher Sicht überfällige große Erdbeben die Region heimsuchen wird. Das letzte Beben, das erwähnenswerte Verwüstungen anrichtete, traf am 17. Januar 1994 um 4.30 Uhr einen Stadtteil von Los Angeles. Es dauerte cirka 20 Sekunden bei einer Stärke von „nur“ 6,7, war aber bis ins über 400 Kilometer entfernte Las Vegas zu spüren. Es gab Tausende von Nachbeben, 57 Tote, über 8.000 Verwundete und Schäden in Höhe von 20 Milliarden US-Dollar.

Seither sind über 20 Jahre vergangen, in denen die Wissenschaftler nicht untätig geblieben sind. Am Morgen des Erdbebens in Anza meldeten die Medien ein Ereignis von größerer Tragweite: Im Laufe des vergangenen Jahres wurden Hunderte von Untergrundsensoren entlang den wichtigsten Verwerfungslinien in Kalifornien ausgelegt. Damit entstand die erste Phase eines Frühwarnsystems, das 30 Sekunden vor Ausbruch des Erdbebens Alarm schlug. In Japan, Mexiko und Taiwan sind solche Alarmsysteme bereits im Einsatz, in Kalifornien steckt es noch in der Testphase und wird bislang privat finanziert – ein Skandal angesichts der finanziellen und technologischen Ressourcen, die zu seiner Entwicklung zur Verfügung stünden, wenn nur der politische Wille vorhanden wäre.

Dreißig Sekunden hört sich nach einer extrem kurzen Vorlaufzeit an; unter günstigen Bedingungen ließe sie sich aber bis auf 60 Sekunden verlängern – Zeit genug, um die Krankenhäuser und Notdienste in Bereitschaft zu versetzen, Züge über Computerprogramme zu verlangsamen, Warnhinweise zur Geschwindigkeitsbegrenzung auf den Highways einzuschalten, vor dem zu erwartenden Stromausfall Fahrstühle zu evakuieren oder die Tore der Feuerwehrzentralen zu öffnen.

Das Frühwarnsystem würde zirka 80 Millionen Dollar kosten – „Peanuts“ in einem137-Milliarden Staatshaushalt, die sich Gouverneur Jerry Brown angesichts des trotz aller Kürzungen nach wie vor massiven Defizits jedoch nicht leisten kann oder will. Das wird sich wohl erst ändern, sobald das nächste Große Beben Schäden anrichtet, die den Staat ungleich teurer zu stehen kommen.

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