© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/13 / 05. April 2013

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Ramsauers Sprachverwirrung
Thorsten Brückner

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) sieht sich gerne als Bewahrer der deutschen Sprache. Anfang 2010 sorgte der Oberbayer für Schlagzeilen, als er in seinem Ministerium die Verwendung englischer Begriffe untersagte. Damals wurde der Laptop zum mobilen Rechner und der Laserpointer zum Laserzeiger. Auch für den englischen Begriff Gender Mainstreaming hatte der Minister damals eine Eindeutschung parat: „Die Durchsetzung der Gleichstellung von Mann und Frau“.

Genau diese möchte Ramsauer nun in der neuen Straßenverkehrsordnung verwirklicht sehen. Alle vermeintlich diskriminierenden, weil männlichen Begriffe wurden in der Neufassung getilgt. So ist seit dem 1. April ganz scherzfrei nicht mehr auf „Fußgänger“ Rücksicht zu nehmen, sondern auf „zu Fuß Gehende“. Spötter stellen sich deshalb schon die Frage, ob man einen auf der Fahrbahn nur herumstehenden Fußgänger künftig einfach über den Haufen fahren darf.

Die Neufassung wartet jedoch noch mit weiteren sprachlichen Höhepunkten auf: Bildeten bis dato „15 Radfahrer“ einen geschlossenen Verband, tun dies ab sofort „15 Rad Fahrende“. Auch gelten die Verkehrsregeln nun nicht mehr für Reiter, Führer von Pferden sowie Treiber von Vieh, sondern für den, der „reitet, Pferde oder Vieh führt“. All diese „Verkehrsteilnehmenden“ müssen freilich auf die „Fahrenden von Rollstühlen“ achten, für die in der neuen Version gewöhnliche Rollstuhlfahrer Platz machen mußten.

Der Verkehrsrechtsexperte des Automobilclubs Europa, Volker Lempp, wirft Ramsauer nun vor, für die Ausarbeitung der Neufassung „kurzerhand einen Studienabbrecher im Fach Germanistik“ engagiert zu haben. Die geschlechterneutralen Formulierungen, beeilte sich eine Ministeriumssprecherin jedoch gleich zu beschwichtigen, seien bereits seit geraumer Zeit für Gesetzgebungsverfahren vorgeschrieben.

Da der Text für sich sprachliche Genauigkeit in der Geschlechterfrage reklamiert, können nun zumindest alle „Autofahrenden“ aufatmen, die sich nicht gerne von weiblichen Verkehrspolizisten herumkommandieren lassen. Paragraph 36 der neuen Verkehrsordnung stellt klar: „Die Zeichen und Weisungen der Polizeibeamten sind zu befolgen!“ Die Weisungen einer Polizeibeamtin kann man der Logik der Neufassung folgend also getrost ignorieren.

Ausgerechnet Ramsauer sieht sich nun dem Vorwurf ausgesetzt, zur Sprachverwirrung beizutragen. „Reine Sprachworthülsen zu verwenden, die den Bürger nur verwirren, bringt nicht mehr Rechtsklarheit“, kritisiert Verkehrsanwalt Matthias Paar im Westdeutschen Rundfunk (WDR). „Dem Volk aufs Maul geschaut! Und schon weiß ich, was die Nöte, Sorgen und Probleme der Menschen sind. Und vor allen Dingen, was ich zu tun habe, um Abhilfe zu schaffen“, sagte Ramsauer nach seiner Sprachrevolution 2010.

Ob das für den Verkehrsteilnehmer beziehungsweise den, der „am Verkehr teilnimmt“ auch gilt, bleibt abzuwarten. Einen Proteststurm braucht das Ministerium dennoch nicht zu fürchten: Wer liest schon die Straßenverkehrsordnung?

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