© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/13 / 05. April 2013

Christentum und Gesellschaft
Es droht der Relativismus
Norbert Geis

Der Fortschritt in Wissenschaft und Technik sowie die freiheitliche Demokratie mit der absoluten Geltung der Menschenrechte gehen auf die große Zeit der Aufklärung zurück. Das Christentum, so wird gern behauptet, habe damit aber nichts zu tun. Daraus spricht jedoch eine geringe Kenntnis geschichtlicher Zusammenhänge. Vielmehr stehen auch die Aufklärung und die Moderne unter dem Vorzeichen des Christentums.

Es war die Unterscheidung der weltlichen Gewalt des Kaisers und der geistlichen Autorität der Kirche, also der Trennung von Staat und Religion, welche die Säkularisation erst ermöglicht hat. Diese Unterscheidung hat schon Papst Gelasius in seinem Schreiben an Kaiser Anastasius 494 formuliert. Im übrigen sind auch der Nationalismus und der Kapitalismus und in deren Folge der Kommunismus und der Nationalsozialismus, die furchtbare Verwüstungen über Europa gebracht haben, als ein Ergebnis der Aufklärung auf europäischem Boden entstanden.

Es waren dann vor allem aber christliche Staatsmänner wie De Gasperi, Robert Schuman und Konrad Adenauer, die nach dem Krieg Europa wieder aufgebaut haben.

Diese drei haben aus der europäischen Geschichte der letzten 200 Jahre gelernt, daß Europa, seine Völker und seine Kultur untergehen müssen, wenn die christlichen Werte nicht Grundlage von Staat und Gesellschaft sind. Zu diesen Grundwerten gehören vor allem die Würde des Menschen, die Freiheit des einzelnen und die Bedeutung von Ehe und Familie. Diese Grundwerte sind in der Tat nicht ohne das Christentum denkbar.

Erleben wir aber derzeit in Europa nicht einen Prozeß der Entchristlichung? Geht es dabei nicht auch um den Zustand und das Schicksal unserer Kultur? Unsere ganze Kultur lebt aus dem christlichen Erbe. Wenn wir dieses Erbe verspielen, verlieren wir auch unsere Kultur. Dieses Erbe ruht auf unserem christlichen Glauben. Schwindet dieser Glaube, bleiben diese Werte im rein Menschlichen. Maßstab ist nicht mehr das Zeugnis des Glaubens, sondern unser subjektives Urteil. Es kommt zur Diktatur des Relativismus.

Der Glaube der Christen aber steht und fällt, wie Paulus sagt, mit der Auferstehung. Es ist gut, sich auch nach Ostern daran zu erinnern.

 

Norbert Geis, CSU, ist Rechtsanwalt und seit 1987 Mitglied des Deutschen Bundestages.

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