© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/13 / 29. März 2013

Lockerungsübungen
Am Fortschritt teilnehmen
Karl Heinzen

Die Einschätzung, daß Elektrogeräte heute deutlich schneller verschleißen als in der Vergangenheit, scheint nicht nur auf die subjektiv verzerrte Wahrnehmung enttäuschter Verbraucher zurückzuführen zu sein. Der Produktlebenszyklus hat sich tatsächlich verkürzt, da die Hersteller absichtlich Schwachstellen einbauen, um einen raschen Ersatzkauf anzustoßen.

Zu diesem Urteil kommt das Gutachten „Geplante Obsoleszenz“, das im Auftrag der Bundestagsfraktion der Grünen erstellt worden ist. Die Autoren stützen sich auf zahlreiche Beispiele, die die Bürger aus ihrem leidvollen Konsumentenalltag kennen: Kopfhörer mit maroden Verbindungsstellen, Waschmaschinen mit unzulänglichen Heizstäben, Drucker mit eingebauten Zählern, die ab einer vorgegebenen Nutzungsintensität die Funktionsuntüchtigkeit auslösen, elektrische Zahnbürsten mit fest installiertem Akku, dessen Ladefähigkeit rasch schwindet. All diese Mängel seien nach heutigem Stand der Technik eigentlich leicht zu beheben. Sie würden aber durch die Industrie bewußt konstruiert und so geplant, daß sie möglichst kurz nach Ablauf der Garantielaufzeit ihre Wirkung entfalten könnten.

All dies mag zu beklagen sein, sollte aber in einer funktionierenden Marktwirtschaft niemandem Kopfzerbrechen bereiten. Der Kunde ist in ihr bekanntermaßen König, und der mündige Verbraucher kann sich umfassend informieren, bevor er seine Kaufentscheidung trifft. Enttäuschen ihn Produkte, so kann er die Hersteller bestrafen, indem er beim nächsten Mal einem Konkurrenten den Vorzug gibt. Natürlich ist es vorstellbar, daß auch diese allesamt nur minderwertige Erzeugnisse mit geringer Lebensdauer im Angebot haben. Dies hat der Konsument dann jedoch zu akzeptieren, da es offenbar für Qualitätsprodukte kein Geschäftsmodell gibt, das sich am Markt behaupten könnte.

Diesem Schicksal scheint die Elektroindustrie unterworfen zu sein. Für sie zahlt sich Kundenzufriedenheit nicht aus, wenn sie mit verzögerten Neuanschaffungen einhergeht und damit Produktionskapazitäten wie auch Renditen sinken. Immerhin gibt es für den Verbraucher ein Trostpflaster: Wenn er gezwungen ist, sehr rasch alte Geräte zu entsorgen und neue zu kaufen, nimmt er unablässig am technischen Fortschritt teil, der sich in Produktinnovationen manifestiert.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen