© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/13 / 29. März 2013

CD: Bonnie Tyler
Rauchige Röhre
Thorsten Thaler

Es gibt Künstler, von denen man so lange öffentlich nichts gehört hat, daß sie in die unter Medienleuten beliebte Kategorie „Was macht eigentlich ...?“ fallen. Dazu zählt die aus den 1970er und 1980er Jahren bekannte Pop- und Rocksängerin Bonnie Tyler. Ihren Durchbruch erzielte die 1951 in Wales geborene Blondine mit der Single „Lost in France“, später folgten Hits wie „It’s a Heartache“, „Total Eclipse of the Heart“, „Holding Out for a Hero“. Ab Mitte der Neunziger wurde es dann stiller um die Sängerin.

Seither hörte man nur noch selten von ihr, wenn sie im Rahmen von Oper-Air-Konzerten mehr oder minder bekannter Altstars oder im Fernsehen auftat, wie zuletzt etwa Mitte Februar dieses Jahres in der Volksmusiksendung „Willkommen bei Carmen Nebel“. Danach war sie bis Mitte März als „Very Special Guest“ auf der „Rock Meets Classic Tour“ gemeinsam mit Paul Rogers (Free, Bad Company, Queen), Eric Bazilian (The Hooters), Steve Augeri (Journey) und Chris Thompson (Manfred Mann’s Earth Band) unterwegs.

Nun aber will Bonnie Tyler, die zu ihren musikalischen Einflüssen Janis Joplin und Tina Turner zählt, noch einmal an ihre alten großen Erfolge anknüpfen. Soeben ist zum ersten Mal seit fast acht Jahren wieder ein Album von ihr erschienen, „Rock & Honey“, und zeitgleich wurde bekannt, daß sie beim diesjährigen Eurovision Song Contest in Malmö für Großbritannien an den Start gehen wird. Ausgewählt dafür hat die inzwischen 61jährige die Rundfunkanstalt BBC, die in Großbritannien den britischen Eurovisions-Vertreter benennt. Am 18. Mai wird Bonnie Tyler in der südschwedischen Hafenstadt die eingängige Ballade „Believe In Me“ von ihrem neuen Album singen

Dabei ist der sich rasch einnistende Ohrwurm beileibe nicht der stärkste Titel darauf. Gleich zum Auftakt bietet die Tyler mit „This is Gonna Hurt“ ein feines countryeskes Rockstück, bei dem ihre legendäre Reibeisenstimme exzellent zur Geltung kommt. Überhaupt, diese Röhre: Sie ist das größte Kapital der Sängerin, ihr unverwechselbares Markenzeichen. Ende der siebziger Jahre mußte sich Bonnie Tyler einer Operation an den Stimmbändern unterziehen. Danach hätte sie eigentlich eine Zeitlang nicht sprechen, geschweige denn singen dürfen. Doch sie mißachtete die ärztliche Anweisung. „Ich konnte einfach nach der Operation nicht den Mund halten, obwohl ich hätte pausieren sollen“, sagte sie in einem Interview. Dadurch sei ihre Stimme noch rauchiger geworden.

Diesen Trumpf spielt sie nun auch in den 13 Titeln auf „Rock & Honey“ voll aus. Glanzlichter neben den Balladen sind auf dem hörbar in Nashville produzierten Album die Lieder „All I Ever Wanted“, „Flat on the Floor“ (bekannt auch von US-Country-Star Carrie Underwood) und „What You Need from Me“, ein Duett mit dem vielfach preisgekrönten US-amerikanischen Country-Sänger Vince Gill. Keine Frage, mit diesem Silberling hat sich Bonnie Tyler eindrucksvoll zurückgemeldet.

Bleibt zu wünschen, daß sie nicht das Schicksal von Engelbert erleidet. Den 76jährigen Schlagersänger schickte Großbritannien voriges Jahr in den Eurovision Song Contest nach Baku. Dort belegte er mit nur zwölf Punkten den vorletzten Platz. Bonnie Tyler hat definitiv eine bessere Plazierung verdient.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen