© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/13 / 29. März 2013

Oberst Mölders und Bürger Schmidt
Bundeswehr II: In Berlin trifft sich eine kleine Schar zum Gedenken an den in der Bundesrepublik in Ungnade gefallenen Jagdflieger Werner Mölders
Karl-Heinz Kuhlmann

Am 18. März fand aus Anlaß des 100. Geburtstages von Werner Mölders, einem der erfolgreichsten deutschen Jagdflieger des Zweiten Weltkrieges, auf Einladung der Familie sowie der Mölders-Vereinigung eine Gedenkveranstaltung in Berlin statt. Am Grabe des 1941 tödlich verunglückten Obristen der Luftwaffe auf dem Invalidenfriedhof versammelten sich in der Mehrzahl ältere Männer in Zivil, und hier beginnt das Fragen.

Während es in anderen Ländern bei einer ähnlichen Veranstaltung von Uniformträgern aller Dienstgrade bis hin zu den Generälen nur so gewimmelt hätte, fehlte hier jegliche militärische Präsenz. Selbst der „Stabstrompeter“ war ein Zivilist. Warum? Die Antwort ist schnell gegeben. Sie liegt im Bruch der politischen Führung unseres Landes mit der Tradition der Wehrmacht und der damit verbundenen Ächtung soldatischer Leistungen einer ganzen Generation; die, wie Sebastian Haffner es einmal ausgedrückt hat, gar nicht so recht wußte, worum es eigentlich ging, jedoch auch nicht verlieren wollte.

Werner Mölders gehörte dazu. Geboren am 18. März 1913, trat er nach dem Abitur 1932 in die Reichswehr ein. Er wurde ein begeisterter Flugzeugführer und hineingezogen in eine historische Entwicklung, die nicht fragte, ob man denn auch bereit sei, als Soldat Wege zu gehen, bei denen man sich heute mit einer Postkarte abmelden kann und ungefährdet nach Hause fährt. Mit Ausbruch des Spanischen Bürgerkrieges und der Entsendung der „Legion Condor“ auf die Iberische Halbinsel war auch Mölders ab 1938 als Staffelkapitän in der Jagdgruppe 88 im Einsatz. Im Zweiten Weltkrieg wurde er mit der höchsten Stufe des Ritterkreuzes ausgezeichnet, so daß sein Ruhm seinen tragischen Tod überdauerte und die Bundeswehr ihn unter anderem als Namensgeber für ein Jagdgeschwader (74, Neuburg/Donau) als würdig befand.

Dann der Bruch. Im April 1998 beschloß der Bundestag, daß Mitgliedern der „Legion Condor“ nicht weiter ein ehrendes Angedenken zuteil werden darf. Dieser Beschluß wurde zunächst in bezug auf Mölders nicht umgesetzt. Doch das Militärgeschichtliche Forschungsamt (MGFA) kam 2004 in einem Gutachten zu dem Schluß, daß dieser sich stets systemkonform verhalten habe und er deshalb nicht zum soldatischen Vorbild für die Bundeswehr tauge. Im Januar 2005 verfügte dann Verteidigungsminister Peter Struck (SPD), daß Einrichtungen der Bundeswehr nicht mehr den Namen Mölders tragen sollen. Daraufhin verlor das Jagdgeschwader 74 den Zusatz „Mölders“; Angehörige der Einheit mußten während eines Appells den Ärmelstreifen ablegen. Alle Proteste waren ohne Erfolg.

Es bleibt das Verdienst von Brigadegeneral a.D. Hermann Hagena, einem ehemaligen Angehörigen des Neuburger Geschwaders, mit seinem Buch „Jagdflieger Mölders“ die Vorwürfe des MGFA auf der ganzen Linie und besonders im Blick auf dessen Verwendung in Spanien im Detail widerlegt zu haben. Eine Rehabilitierung blieb jedoch aus.

Zurück zur Veranstaltung in Berlin. Die auf dem Invalidenfriedhof versammelten ehemaligen Angehörigen der Bundesluftwaffe erwarteten dann wohl auch mit einiger Spannung die Ansprache des katholischen Militärdekans a.D. Heinz Hecker, der sich aus Ermangelung aktiver Militärgeistlicher bereiterklärt hatte, die Feier am Grabe Mölders zu gestalten. Er wählte als Text die Geschichte der Versuchung Jesu durch den Teufel aus dem Lukasevangelium. Damit war der Grundtenor festgelegt. Mölders blieb aus Sicht des Geistlichen ein letztlich fehlgeleiteter, wenn auch ansonsten bis ans Ende treuer Katholik und ohne es direkt zu sagen eben des Teufels Oberst. Den Zuhörern merkte man eine gewisse Enttäuschung an.

Im Anschluß an die Andacht versammelten sich die Teilnehmer im Haus des katholischen Militärbischofs. Mit großer Spannung wurden die Ausführungen des parlamentarischen Staatssekretärs im Verteidigungsministerium, Christian Schmidt (CSU), des – wie er sich nannte – „Bürgers Schmidt“ erwartet. Sein Auftritt, der politisch durchaus brisant ist, erschien den meisten wohl wie eine indirekte Zurücknahme der „Entnamung“ des Jagdgeschwaders 74. Schmidt wandt sich sichtlich zwischen einer Anerkennung der militärischen Leistungen von Mölders und dem, was nicht sein kann, weil es nicht sein darf.

Was bleibt? Der Bürger Schmidt hatte einen Bürger in Uniform mitgebracht – einen Oberstleutnant. Und so war dann doch noch die Bundeswehr leibhaftig vertreten. Mehr wagte diese Republik einem im Einsatz für sein Vaterland zu Tode gekommenen hervorragenden Soldaten, den seine Untergebenen „Vati“ nannten, nicht an die Seite zu stellen.

Aber wie schrieb doch schon Thukydides: „Die Gefallenen haben ihre Ehre durch ihre Treue bezeugt.“ Oder, was der Militärdekan besser zum Ausgangspunkt seiner Ansprache hätte wählen sollen, wenn er denn aus dem Ghetto der politischen Korrektheit heraustreten wollte: „Niemand hat größere Liebe als die, daß er sein Leben läßt für seine Freunde“ (Johannes 15.3).

 

Prof. Dr. Karl-Heinz Kuhlmann war evangelischer Militärpfarrer

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