© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/13 / 22. März 2013

Binsenweisheiten in Managersprech
Christoph Eichborn möchte mit „Classroom-Management“ wieder Ordnung in die „demokratische Schule“ bringen
Heino Bosselmann

Lehrer haben es nicht leicht; ihre eigene Lehre, die Pädagogik, hat es noch schwerer. Sie ist keine exakte Wissenschaft, erhebt aber Daten, um Spekulationen zu rechtfertigen. Das erklärt die Menge Tests mit diesen und jenen Schlußfolgerungen, an die sich die Reformen und die Reformen der Reformen anschließen.

Christoph Eichhorn ist Psychologe und Erziehungsberater in der Schweiz. Modernerweise versteht er sich als Coach. „Classroom-Management“, das ist, ganz Zeitgeist, ein konstruierter Anglizismus, sehr marktfähig, weil von ökonomischem Anklang. Handelst du noch oder managst du schon? Der Autor will den Lehrern „tools“ anbieten, mit denen sie „chaotische Klassen“ wieder zur Arbeitsfähigkeit führen können.

Mitbedacht sei, daß Durchsetzungsvermögen, Verantwortungsbewußtsein, gar Disziplin, Normen und Regeln lange im Verdacht standen, protofaschistische Irrläufer zu sein, von denen die „demokratische Schule“ besser Abstand nehmen sollte. Sie wurden durch vermeintlich befreiende Neuvereinbarungen ersetzt, die ihrerseits in die Bildungskrise führten.

Eichhorn ist nicht der erste, der angesichts der fortdauernden Misere wieder stabile Strukturen nahelegt. Er entwirft Fallbeispiele: Klassen, durch Ungeschick aus dem Ruder gelaufen, unwillig, verwahrlost, nicht zu Erkenntnissen vordringend, weil schon die Sicherung einer Atmosphäre der Arbeitsbereitschaft alle pädagogische Kraft verschleißt.

Auf solche Konflikte sollen Methoden des „Personal-Trainings“ angewandt werden. In der Art von Powerpoint-Präsentationen vermittelt der Autor Schlußfolgerungen. Kurze Standardfälle wechseln sich so mit seitenlangen Stichpunkten und mit Zeigefinger-Piktogramm gekennzeichneten Ratschlägen ab: „Sie sind kein Tyrann, wenn Sie sich darum bemühen, daß der Unterricht geordnet abläuft, sondern im Gegenteil: Sie sind eine Lehrerin oder ein Lehrer, der viel Engagement für eine gute Zukunft seiner Schüler zeigt.“ Dergleichen Banalitäten bleiben die Regel, aufgepeppt von Reizworten: „Ein ‘Board of Compliments’ hat einen einzigartigen Vorteil: Es ‘zwingt’ das Lehrpersonal dazu, nach positivem sozialem Verhalten Ausschau zu halten und es den Schülern zurückzumelden.“

Nichts dabei, was sinnlich wache und verbindlich reagierende Lehrer nicht ebenso erläutern könnten, was vermutlich aber bei jungen Absolventen in Vergessenheit geriet, die selbst eine weitgehend kaputtreformierte Schule durchliefen.

Ob man den Toilettenbesuch in der Stunde nun gestatten sollte oder nicht, wird als Beispiel herangezogen für das Setzen von Grenzen. Gegen Unruhe helfen Rituale, Ruherituale, exemplifiziert am Beispiel eines sich konzentrierenden Löwen. Wirkt das nicht, werden „Strategien“ folgender Art angeboten: „Rechnen Sie mit Störmanövern. Bleiben Sie gelassen. Bleiben Sie konsequent. Kommunizieren Sie positiv.“ Lob und Anerkennung wären „Streßpuffer, die Kraft geben“, Klassenregeln auf Plakaten machten sich gut, weil man sie nicht immer neu erklären bräuchte, und wie in der Werbung müßten Slogans und Logos her.

Die von Eichhorn genutzten Beispiele wirken so lebendig wie Standbilder in der Puppenschule. Passend dazu werden Rollenspiele empfohlen und sogar Musterbriefe vorgeschlagen, die Eltern Schwierigkeiten erläutern. Es fehlt nicht das Muster einer „Classroom-Management-Beobachtungs-Skala (CMBS)“, die sich der Illusion hingibt, komplexe Probleme ließen sich einfach quantifizierend spiegeln. Daß gelingender Unterricht vor allem von der Persönlichkeit des Lehrenden und von interessant und relevant aufbereiteten Inhalten abhängt, spielt nirgends eine Rolle.

Christoph Eichhorn: Chaos im Klassenzimmer. Classroom-Management: Damit guter Unterricht noch besser wird. Klett Cotta, Stuttgart 2013, broschiert, 201 Seiten, 16,95 Euro

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