© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/13 / 15. März 2013

Überall ein Plus
Onlinegeschäft: taz.de zeigt, wie kleine Spieler auf dem Tageszeitungsmarkt ertragreich arbeiten können
Ronald Berthold

Im Januar konnte die taz alleine an freiwilligen Zahlungen über ihre Internetseite 12.209,45 Euro einnehmen. Das war eine beachtliche Steigerung zum Vormonat von rund zehn Prozent. 4.900 Euro nimmt der Verlag alleine durch Lastschriften ein, die er regelmäßig einzieht.

Die Tageszeitung (taz) scheint die richtige Strategie für das Internetzeitalter gefunden zu haben. Fast 13 Prozent ihrer verkauften Auflage setzt die taz inzwischen als E-Paper ab. Damit positioniert sie sich im deutschen Medienmarkt ganz weit vorn. Zwar ist die verkaufte Druckauflage mit 50.000 im vierten Quartal 2012 weiterhin vergleichsweise bescheiden und auch leicht rückläufig. Doch mit dem Verkauf der virtuellen Ausgabe macht die linke Zeitung diesen Verlust wett.

Zum Vergleich: Frankfurter Allgemeine und Süddeutsche Zeitung setzen jeweils nur knapp vier Prozent ihrer Blätter als E-Paper ab, die Welt mit Welt kompakt und Welt am Sonntag sogar nur 0,7 Prozent. Sollte sich der Trend fortsetzen, daß gedruckte Tageszeitungen an Bedeutung verlieren, scheint die taz im Vergleich zu anderen Mitbewerbern gut gerüstet. Schon seit zehn Jahren fallen die Auflagen der täglichen Periodika rapide. Die verkauften Exemplare einiger Blätter haben sich seit der Jahrtausendwende sogar halbiert. Und ein Ende dieser Tendenz ist nicht absehbar. Immer mehr Leser steigen auf das Internet um, wo es die meisten Informationen kostenlos gibt.

Doch ohne Bezahlschranke, die zum Beispiel der Axel-Springer-Verlag als Experiment kürzlich für die Welt und die Berliner Morgenpost eingeführt hat und für Bild plant, ist das Onlinenangebot für alle Großverlage ein enormes Zuschußgeschäft. Obwohl Springer schon vor mehr als zehn Jahren die Parole „Online first“ ausgegeben hat, tut sich das größte Zeitungshaus Deutschlands schwer, Lösungen zu finden.

Es tritt auf der Stelle – und das, obwohl allein im Dezember 43 Millionen Besucher Welt Online anklickten. Der Verlag fragt sich fieberhaft, wie er die vielen Leser in Umsätze verwandeln kann. Das Ergebnis war die Bezahlschranke. Daten, wie sich die „Visits“ seitdem entwickelt haben, liegen noch nicht vor. Die mageren E-Paper-Verkäufer der Welt-Gruppe sind aber ein Indikator dafür, wie schwierig das Unterfangen sein wird, in die schwarzen Zahlen zu kommen.

Ein kleiner Verlag dagegen zeigt, wie es gehen könnte. Inzwischen verdient die taz mit dem Onlinegeschäft Geld. 2011 lag der Erlös hier bei gut einer Million Euro – zu je etwa einem Drittel wurde er erzielt durch „Onlinewerbung auf taz.de (301.407 Euro, plus 1,8 Prozent), durch den Verkauf von digitalen taz-Texten an Datenbanken (272.494 Euro, plus 9,5 Prozent) oder durch das E-Paper-Abonnement (346.903 Euro, plus 38 Prozent)“. Das vermeldete der Verlagsgeschäftsführer des Blattes, Karl-Heinz Ruch, in seinem Blog. Kritiker werden einwenden, daß die taz ihr E-Paper geradezu verramscht. Es kostet nur zwölf Euro pro Monat und liegt damit 70 Prozent unter dem klassischen Printabo (40 Euro). Kein anderer Verlag bietet seine E-Paper-Version so günstig an.

Doch letztlich geben die hohen zusätzlichen Umsätze dem Verlag recht. Überall ein Plus – bei den E-Papern sogar ein dickes. Und das dürfte sich 2012 noch einmal stark vergrößert haben. Denn da verdoppelte die taz hier ihren Verkauf. Mit Apps und Tablets steht dafür inzwischen eine weitverbreitete Technik zur Verfügung. Wie geschickt der Verlag vorgeht, unterstreichen die Zahlen: taz.de verzeichnet nur zehn Prozent der Visits (Aufrufe), die die Welt im Internet erreicht. Aber dennoch gelingt es der taz, ohne Bezahlschranke wirtschaftlich zu arbeiten. Im März erneuerte sie ihren Internetauftritt komplett. Journalistische Texte, Blogs, Shop und Verknüpfungen zu sozialen Netzwerken werden verbunden. Das linke Blatt erhofft sich davon neue Leser und einen erneuten Gewinnsprung.

Die taz zeigt sich deutlich beweglicher als manch großer Konkurrent. Sie greift bei ihren Änderungen vor allem auf Leser-umfragen zurück. Die Bindung zwischen den Kunden und dem Blatt sind – ähnlich wie bei der JUNGEN FREIHEIT – hier erheblich größer als bei den Branchenriesen. Diese Identifikation macht sich die Zeitung zunutze. Eine Bezahlschranke wird sie nicht einführen – gerade weil sie durch die Befragungen erkannt hat, daß die Online-Leser deutlich weniger verdienen als die Print-Abonnenten. Allerdings bittet sie jeden Leser vor dem Lesen (nicht verpflichtend) um den Abschluß eines Dauerauftrages und stellt unter jedem Artikel die Frage, wieviel ihm der Text wert sei. Er kann dann selbst entscheiden, ob er bezahlen möchte oder nicht. Hierfür steht mit Flattr ein unkompliziertes und sicheres System zur Verfügung. Der Solidaridätsappell scheint zu ziehen und die generelle Bezahlschranke zu verhindern.

Ein wichtiges Ergebnis der Befragung: Mit ihrem Digitalangebot schöpft die taz vor allem das jüngere Leserpotential ab, das von vielen Verlagen schon abgeschrieben war und als möglicher Käufer für immer verloren galt. Während die Abonnenten der Printausgabe im Schnitt 55 Jahre zählen, sind die taz.de-Nutzer 18 Jahre jünger. Ähnliches gilt auch für die Käufer des E-Papers. Und wie groß hier noch das Potential ist, beweist die Umfrage ebenfalls. Nur 14 Prozent der E-Paper-Abonnenten sind Frauen.

Flattr. Freiwilliges Onlinebezahlsystem

www.flattr.com

Foto: Internetauftritt der Tageszeitung „Die Welt“: Im Gegensatz zum Springer-Blatt kommt die taz ohne Bezahlschranke aus

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