© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/13 / 15. März 2013

Abschied von einer Institution
„Deutschland Archiv“: Erscheint nur noch online
Detlef Kühn

Die oft langjährigen Leser und Bezieher des Deutschland Archivs (DA) mußten Ende 2012 Abschied nehmen von der Papierform einer Publikation, deren politische und wissenschaftliche Bedeutung in der Zeit der Teilung Deutschlands kaum überschätzt werden kann. Sie ging erheblich über die kaum mehr als vierstellige Auflage der in dieser Form und unter diesem Namen seit 1968 ursprünglich monatlich erscheinenden Zeitschrift hinaus. Vorangegangen war das SBZ-Archiv, dessen Name nicht mehr zeitgemäß erschien.

In der Folge entwickelte sich das Deutschland Archiv zu der im In- und Ausland anerkannten Fachzeitschrift für Fragen der DDR-Kunde und der Deutschlandpolitik. Sie wurde stets finanziell von den Bundesregierungen getragen, erschien aber in privaten Verlagen. Dies und die geistige Unabhängigkeit und Autorität der verantwortlichen Redakteure sicherten dem Blatt gerade in der Zeit der Teilung Freiheit in der Berichterstattung und damit Ansehen und Wirkung. Man schimpfte nicht auf die Verhältnisse in SBZ und DDR, sondern schilderte sie so, wie sie waren. Das war entlarvend genug! In den Stellungnahmen zur Deutschlandpolitik kamen auch von der Regierungspolitik abweichende Meinungen durchaus zu Wort.

Auch nach der Wiedervereinigung spielten Teilungsfolgen und Aufarbeitung der DDR-Geschichte eine erhebliche Rolle. Die Finanzierung war inzwischen vom aufgelösten Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen auf den Geschäftsbereich des Innenministers, genauer: die Bundeszentrale für politische Bildung, übergegangen. Der Unabhängigkeit der Redaktion war das nicht unbedingt dienlich, wie insbesondere der skandalöse Umgang mit einem Beitrag des Politikwissenschaftlers Konrad Löw im Jahre 2004 bewies, der erst durch das Bundesverfassungsgericht korrigiert wurde. Dennoch konnten auch jetzt noch zahlreiche wertvolle Beiträge, häufig aus der Stasi-Hinterlassenschaft, publiziert werden. Was davon in die Zukunft zu retten ist, bleibt abzuwarten.

Das Deutschland Archiv erscheint nun nur noch im Internet, mit deutlich reduzierten Finanzmitteln und einer nicht näher bekannten Redaktion, aber dafür der Bundeszentrale als Herausgeber. Politische Einflußnahme dürfte damit wesentlich erleichtert sein.

 

Detlef Kühn war von 1972 bis 1991 Präsident des Gesamtdeutschen Instituts in Bonn.

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