© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/13 / 15. März 2013

CD: Hartmanns
Hohe Kunst an der Gitarre
Sebastian Hennig

Rockmusik als Instrumentalkunst pflegt eine Dresdner Kapelle. Die „Hartmanns“ spielen seit zwei Jahrzehnten zusammen. Dem heißen Atem des Erfolgs im Nacken vermochten sie bisher durch stetig heraufgeschraubte Ambitioniertheit des Musizierstils zu entfliehen. Das muß nicht zwangläufig in Jazzrock oder Industrial Noise münden. Die konventionelle Seite der Rockmusik bietet ein weites Feld. Arnold Schönbergs Wort: Es gebe immer noch schöne Musik in C-Dur zu komponieren, das gilt abgewandelt auch hier.

Die nötige ökonomische Unabhängigkeit erhalten sich die Mitglieder des musikalischen Freundschaftsbundes beispielsweise, indem sie ihre überdurchschnittlichen Fähigkeiten in den Dienst der (Gitarren)Lehre oder des Orchesterklangs von Strauss und Wagner stellen. Etwas Rocksinfonisches oder Opernhaftes im unsentimentalen Sinne haben auch die vierzehn Stücke der selbstvermarkteten, tontechnisch hochprofessionellen Edition „Worldroom“.

Die ersten beiden Titel auf der CD, „please dont kill me“ und „dr. dr.“, lassen keinen Zweifel, um welche Optionen es hier geht. In „Maschinen“ wird rhythmisch weitergewalzt. Die enthumanisierte Stimme huldigt der Maschine, nihilistisches Gebet als Countdown zum explosiven Abheben. Plötzlich reißt es so schnell ab, wie es einsetzte. Der unzweifelhafte Marsch wird umspielt von singenden Melodien der virtuosen Gitarre, die ihrerseits nie selbstverliebt, sondern immer im Dienst der Homogenität des jeweiligen Stückes steht. Ihre Tonfolgen umflattern den Vortrieb von Baß und Schlagzeug wie Fähnlein oder wie die Mauersegler einen Bergfried.

Hier werden nicht selbstverliebte Effekte aufgetürmt, die zuletzt in eitler Pracht erstarren oder zusammenstürzen, sondern gemeinsam in artifizieller Ausgewogenheit vibrieren. Die Verfremdung durch den Vocoder nivelliert den Sprechgesang der Stimme mit dem Sound der Instrumente. Gesang beherrscht jede der 14 Miniaturen. Oftmals wirkt es fast reizvoller, wenn die Saiten der elektrischen Gitarren zu Stimmbändern werden.

Der Hörer wird in einen Soundteppich gerollt, dessen Kettfäden wie von The Alan Parsons Project geflochten sind, während Metallica den Schuß liefert. Anklänge an deutschen Krautrock oder britischen Artrock verantwortet die instrumentale Überqualifizierung der Musiker, kündet aber auch von Vorlieben. Die Hartmanns sind keine Garagenband, nicht Jungs, die sich drei Akkorde draufgedrückt haben. Ihr Bandname klingt nach Musikerkalauer. Das Familiäre des Musizierverbandes wird damit herausgestrichen und ein bißchen wohl auch das alberne Potenzgehabe der Stadionrocker karikiert, die den harten Mann, den strammen Max markieren. Das Selbstbewußtsein kraft Instrumentenbeherrschung ist so ausgeprägt, daß Understatement gegensteuern muß. Die Selbstdarstellung verlautbart „gute und kompakte Stücke von der Solidität einer russischen Trägerrakete“.

Wer sich müde gehört hat an den „Lost Tapes“ von Can, der betrete das Wohnzimmer der Hartmanns durch ihren „Worldroom“. Dort wartet die musikalisch-intellektuelle Erlösung von der Sündflut des blasierten Jazzpop und durchgestrickter Beat-Musik durch die Hände einer sächsischen Wahlfamilie von Instrumentalprofis.

Hartmanns: Worldroom Gitarrero Software, 2012  www.hartmanns.hm

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